Das Arbeitsgericht Mainz hat sich im Juni mit einer interessanten und wichtigen Frage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. Ausgangspunkt war die (verspätete) Kündigungsschutzklage einer Schwangeren und die Frage, ob die gesetzlich vorgesehene Frist zur Erhebung einer solchen Klage nicht zu kurz für schwangere Beschäftigte geregelt sei. Das Arbeitsgericht Mainz legte das Verfahren dem EuGH vor und fragte an, inwieweit die kurze Frist mit dem europäischen Recht vereinbar sei. Der EuGH hielt die Kürze der Frist für bedenklich ( EuGH, Urteil vom 27.6.24, Az. C-284/23).
Das ist passiert: Schwangere Beschäftigte legte verspätet Kündigungsschutzklage ein
Eine Pflegehelferin hatte beim Arbeitsgericht Mainz gegen ihre Kündigung Klage erhoben. Sie hatte tatsächlich erst einen Monat nach ihrer Kündigung erfahren, dass sie schwanger ist und insoweit Sonderkündigungsschutz gemäß §17 Mutterschutzgesetz genießt.
Mittlerweile war allerdings die Dreiwochenfrist, innerhalb der eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden kann (das ist bei jeder Kündigung so) abgelaufen. Wenn diese Frist abgelaufen ist, besteht nach nationalem Recht stets die Möglichkeit, einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage nach § 5 Kündigungsschutzgesetz innerhalb von 14 Tagen zu stellen.
Allerdings hatte die Schwangere auch diese zweiwöchige Frist versäumt. Daher hätte das Arbeitsgericht (AG) Mainz Grund gehabt, die Klage wegen der Versäumnisse der Fristen, abzuweisen. Das Mainzer Gericht hatte allerdings Bedenken, dass die Fristen zur Klageerhebung nicht mit der europäischen Mutterschutzrichtlinie im Einklang stehen könnten. Es legte das Verfahren daher dem Europäischen Gerichtshof vor, der die Frage zu beantworten hatte, ob die Frist angemessen sei.
So entschied der Europäische Gerichtshof: Schwangeren ist eine angemessene Frist einzuräumen, die kurzen Fristen sind bedenklich
Der Europäische Gerichtshof führte aus, dass einer schwangeren Beschäftigten stets eine angemessene Frist eingeräumt werden muss, damit sie die Möglichkeit hat, zu überprüfen, ob eine Kündigungsschutzklage vor Gericht sinnvoll ist.
Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass die Zweiwochenfrist, die unser nationales Recht vorsieht, um Antrag auf eine verspätete Zulassung einer Klage zu stellen, bedenklich sei. Wenn eine Beschäftigte wie in diesem Fall aus einem nicht von ihr zu vertretenden Grund nach Ablauf der Dreiwochenfrist nur noch zwei Wochen Zeit habe, um die Frage einer mögliche Klage zu prüfen, sei dies als schwer mit der Richtlinie vereinbar anzusehen, so die Richter*innen. Sie waren der Meinung, dass die Frist zu kurz sein könne.
Letztlich habe aber das Arbeitsgericht zu prüfen, inwieweit in einem solchen Fall die Zulassung einer verspäteten Klage angemessen sei.
Das bedeutet die Entscheidung für Sie in der Praxis
Deutlich geworden ist, dass die kurze Frist, um eine verspätete Klage einzureichen, so wie es unser Prozessrecht bei Kündigungen vorsieht, nach den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes auf dem Prüfstand steht. Es bleibt abzuwarten, wie das Arbeitsgericht in der Sache entscheidet und ob die Angelegenheit ggf. noch in die nächsten Instanzen geht. Ich werde weiter darüber berichten.
Sonderkündigungsschutz bei Schwangerschaft
Wie in der oben genannten Entscheidung deutlich geworden ist, genießen schwangere Frauen einen sogenannten Sonderkündigungsschutz. Das heißt, es kann ihnen bei Schwangerschaft nicht ordentlich (fristgerecht) gekündigt werden.
Mutterschutzgesetz verbietet die ordentliche Kündigung bei einer bestehenden Schwangerschaft
Das Kündigungsverbot ergibt sich aus § 17 des Mutterschutzgesetzes. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Schwangerschaft bekannt ist, kann Beschäftigten nicht mehr gekündigt werden. Wurde wie in dem Mainzer Fall eine Kündigung allerdings bereits ausgesprochen und der Arbeitgeber nimmt die Kündigung nicht zurück, so müssen Beschäftigte, eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen, damit die Kündigung nicht rechtswirksam wird. Dass dies kompliziert werden kann, zeigt der obige Fall.
Mein Tipp
Veröffentlichen Sie die oben genannte Entscheidung auf Ihrer Intranetseite oder am Schwarzen Brett!
Das Einhalten von Fristen kann für Beschäftigte extrem wichtig sein. Dies gilt gerade bei einer Kündigung, egal, ob diese während einer bestehenden Schwangerschaft ausgesprochen wird oder nicht. Veröffentlichen Sie daher die oben genannte Entscheidung auf Ihrer Website oder an Ihrem Schwarzen Brett.
Weisen Sie in Beratungen ggf. darauf hin, dass eine Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung von den Beschäftigten klageweise angegriffen werden muss. Nur in Ausnahmefällen wird eine verspätete Klage zugelassen. Geschieht die Klageerhebung nicht innerhalb der Fristen und es gibt keinen guten Grund, um die Klage auch noch verspätet einreichen zu können, wird die Kündigung rechtswirksam.
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Eine Pflegehelferin hatte beim Arbeitsgericht Mainz gegen ihre Kündigung Klage erhoben. Sie hatte tatsächlich erst einen Monat nach ihrer Kündigung erfahren, dass sie schwanger ist und insoweit Sonderkündigungsschutz gemäß §17 Mutterschutzgesetz genießt.
Mittlerweile war allerdings die Dreiwochenfrist, innerhalb der eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden kann (das ist bei jeder Kündigung so) abgelaufen. Wenn diese Frist abgelaufen ist, besteht nach nationalem Recht stets die Möglichkeit, einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage nach § 5 Kündigungsschutzgesetz innerhalb von 14 Tagen zu stellen.
Allerdings hatte die Schwangere auch diese zweiwöchige Frist versäumt. Daher hätte das Arbeitsgericht (AG) Mainz Grund gehabt, die Klage wegen der Versäumnisse der Fristen, abzuweisen. Das Mainzer Gericht hatte allerdings Bedenken, dass die Fristen zur Klageerhebung nicht mit der europäischen Mutterschutzrichtlinie im Einklang stehen könnten. Es legte das Verfahren daher dem Europäischen Gerichtshof vor, der die Frage zu beantworten hatte, ob die Frist angemessen sei.
Der Europäische Gerichtshof führte aus, dass einer schwangeren Beschäftigten stets eine angemessene Frist eingeräumt werden muss, damit sie die Möglichkeit hat, zu überprüfen, ob eine Kündigungsschutzklage vor Gericht sinnvoll ist.
Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass die Zweiwochenfrist, die unser nationales Recht vorsieht, um Antrag auf eine verspätete Zulassung einer Klage zu stellen, bedenklich sei. Wenn eine Beschäftigte wie in diesem Fall aus einem nicht von ihr zu vertretenden Grund nach Ablauf der Dreiwochenfrist nur noch zwei Wochen Zeit habe, um die Frage einer mögliche Klage zu prüfen, sei dies als schwer mit der Richtlinie vereinbar anzusehen, so die Richter*innen. Sie waren der Meinung, dass die Frist zu kurz sein könne.
Letztlich habe aber das Arbeitsgericht zu prüfen, inwieweit in einem solchen Fall die Zulassung einer verspäteten Klage angemessen sei.