Mutterschutzgesetz ist nicht immer wörtlich zu nehmen

Mutterschutzgesetz ist nicht immer wörtlich zu nehmen

Wenn Frauen über ein saisonal stark schwankendes Einkommen verfügen, kann sich dies auf die Berechnung des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld auswirken. Wie dies rechtlich zu sehen ist, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (Urteil vom 31.05.2023, Az. 5 AZR 305/22).

    Dies ist geschehen: Beschäftigte forderte einen höheren Zuschuss

    Eine Flugbegleiterin bei einer Fluggesellschaft hatte den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld beantragt. Arbeitgeberin und Beschäftigte stritten über die Höhe des Mutterschutzlohnes und über die Höhe des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld in der Zeit, als die Beschäftigte wegen eines Beschäftigungsverbotes nicht arbeiten konnte. Die Beschäftigte erhielt nach dem einschlägigen Tarifvertrag neben einer Grundvergütung eine sogenannte Mehrflugstundenvergütung und Bordverkaufsprämien. Letztere waren variable Bestandteile ihres Gehaltes. Die Beschäftigte hatte ihr Kind Ende Februar bekommen.

    Für den Mutterschutzlohn legte die Fluggesellschaft die durchschnittliche variable Vergütung für den Zeitraum Februar bis April 2019 zugrunde (Referenzzeitraum). Weiterhin hatte sie diese Vergütung um den Teilzeitfaktor in Höhe von 83 % gekürzt.

    Die Beschäftigte vertrat die Auffassung, dass bei der Berechnung des Mutterschutzlohnes ein längerer Referenzzeitraum als der gesetzlich vorgesehene dreimonatige in Ansatz zu bringen sei, da ihre variable Vergütung aufgrund der Saison über das Jahr stark schwanken würde. Sie wandte ein, dass sie deshalb für die Monate Februar bis April einen Mutterschutzlohn erhalten habe, der dem geringsten Gehaltsniveau entsprach. Für die Beschäftigte galt vor der Geburt des Kindes ein Beschäftigungsverbot.

    So entschieden die Richter*innen: Die Beschäftigte bekam recht

    Die Richter*innen des Bundesarbeitsgerichtes gaben der Beschäftigten in weiter Hinsicht recht. Sie führten im Rahmen ihrer Begründung aus, dass bei einer Beschäftigten wie der Klägerin, die eine derart stark schwankende variable Vergütung habe, auf einen maßgeblichen Referenzzeitraum von zwölf Monaten abzustellen sei. Anderenfalls hätte die Beschäftigte eine erhebliche Verzerrung der Berechnung des Mutterschutzlohnes hinzunehmen.

    Schwankendes Einkommen ist auch beim Zuschuss zu berücksichtigen

    Nach Ausführungen der Richter*innen soll das Gleiche auch für den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gelten. Zwar sähe die gesetzliche Regelung vor, dass der Mutterschutzlohn auf Basis des durchschnittlichen Arbeitsentgelts der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Eintritt der Schwangerschaft berechnet würde. Daher sei zunächst an der Abrechnung der Arbeitgeberin nichts zu beanstanden gewesen.

    §18 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) sei aber dahin gehend auszulegen, dass auch hier ein Referenzzeitraum von zwölf Monaten zugrunde zu legen sei.

    Dieser Zeitraum war aus der Sicht der Richter*innen angemessen, da mit dem tariflichen Jahresarbeitszeitmodell mit seinen stark schwankenden saisonalen Unterschieden auch eine stark schwankende variable Vergütung verbunden sei. Diese (weite) Auslegung sei nach den Richter*innen erforderlich, um tatsächlich das durchschnittliche Arbeitsentgelt gemäß § 18 Abs. 2 MuSchG zu ermitteln.

    Das bedeutet die Entscheidung für Sie in der Praxis

    Wie deutlich geworden ist, kann und muss nicht jede gesetzliche Regelung nur dem Wortlaut entsprechend ausgelegt werden. Vielmehr kann auch auf den Sinn und Zweck einer Regelung abgestellt werden, wie es die Richter*innen des Bundesarbeitsgerichts hier getan haben.

    Sinn und Zweck von § 18 MuSchG ist es tatsächlich, den durchschnittlichen Arbeitslohn während des Mutterschutzzeitraumes zu sichern. Dies wäre bei einer wortwörtlichen Auslegung von § 18 MuSchG im Fall der Flugbegleiterin nicht gegeben gewesen, da ihre Vergütung saisonal sehr stark geschwankt hatte. Insoweit ist die Entscheidung der Richter*Innen als sachgerecht und begrüßenswert zu betrachten.

    Meine Empfehlung:
    Veröffentlichen Sie diese Entscheidung an Ihrem Schwarzen Brett oder im Intranet

    Sie sollten diese Entscheidung an Ihrem Schwarzen Brett oder auch im Intranet veröffentlichen, da sie für Beschäftigte mit variabler Arbeitsvergütung von großer Bedeutung sein kann. Dies kann im Übrigen auch für Angehörige von Beschäftigten in Ihrer Dienststelle gelten, die so ebenfalls informiert werden.

    Fazit: Erfreuliche Entscheidung

    Hinweis: Gesetze müssen ausgelegt werden

    Wie die Entscheidung deutlich macht, müssen Gesetze ggf. über den Wortlaut hinaus ausgelegt werden. Dazu gibt es unterschiedliche Auslegungsmethoden, die gebräuchlichsten sind: die Wortlautinterpretation, die an den Gesetzeszielen orientierte Interpretation, die systematische Interpretation sowie die historische Interpretation. Machen Sie sich dazu einmal im Netz schlau.

    FAQ-Bereich

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    Welche Forderung hatte die Beschäftigte?

    Eine Flugbegleiterin hatte den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld beantragt. Arbeitgeberin und Beschäftigte stritten über die Höhe des Mutterschutzlohnes und über die Höhe des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld in der Zeit, als die Beschäftigte wegen eines Beschäftigungsverbotes nicht arbeiten konnte. Die Beschäftigte vertrat die Auffassung, dass bei der Berechnung des Mutterschutzlohnes ein längerer Referenzzeitraum als der gesetzlich vorgesehene dreimonatige in Ansatz zu bringen sei, da ihre variable Vergütung aufgrund der Saison über das Jahr stark schwanken würde.

    Wie entschieden die Richter*innen?

    Die Richter*innen des Bundesarbeitsgerichtes gaben der Beschäftigten in weiter Hinsicht recht. Sie führten im Rahmen ihrer Begründung aus, dass bei einer Beschäftigten wie der Klägerin, die eine derart stark schwankende variable Vergütung habe, auf einen maßgeblichen Referenzzeitraum von zwölf Monaten abzustellen sei. Anderenfalls hätte die Beschäftigte eine erhebliche Verzerrung der Berechnung des Mutterschutzlohnes hinzunehmen.