Das Bundesgleichstellungsgesetz, aber auch einige Landesgesetze sehen vor, dass der berufliche Werdegang der Gleichstellungsbeauftragten fiktiv nachzuzeichnen ist. Dies soll verhindern, dass Sie durch die Wahrnehmung des Amtes als Gleichstellungsbeauftragte Nachteile in Ihrer beruflichen Karriere erfahren. Die gesetzlichen Regelungen zur fiktiven Nachzeichnung in den jeweiligen Frauengleichstellungsgesetzen sind wenig ergiebig bis gar nicht vorhanden. Der folgende Beitrag soll Ihnen einen Überblick über das Thema der fiktiven Nachzeichnung verschaffen.

    Was bedeutet fiktive Nachzeichnung?

    Die fiktive Nachzeichnung dient dazu, den hypothetischen (fiktiven) beruflichen Werdegang, den Sie voraussichtlich beschritten hätten, wenn Sie nicht das Amt der Gleichstellungsbeauftragten (oder Stellvertreterin) übernommen hätten, darzustellen. Hintergrund dafür ist auch dass Sie als Gleichstellungsbeauftragte aufgrund Ihres Amtes grundsätzlich weder bevorzugt noch benachteiligt werden dürfen. Die Schwierigkeit besteht letztlich darin, wie diese fiktive Nachzeichnung ausgestaltet ist und an welchen Maßstäben sie sich orientieren soll. Die Frauengleichstellungsgesetze lassen hier vieles offen. Einige Gesetzesgrundlagen regeln den Aspekt der fiktiven Nachzeichnung gar nicht (so in Niedersachsen).

    Das Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) beispielsweise sieht die fiktive Nachzeichnung (bzw. dass eine solche von Amts wegen durchzuführen ist) zwar vor, bietet aber keine genauere Definition und auch keinen konkreten Verfahrensablauf hierfür. In § 28 Abs. 3 BGleiG heißt es unter anderem: „Diese Pflicht [zur Nachzeichnung] gilt ungeachtet des Entlastungsumfangs der Gleichstellungsbeauftragten. Die fiktive Nachzeichnung dient als Grundlage für Personalauswahlentscheidungen. Der Anspruch auf fiktive Nachzeichnung der dienstlichen Beurteilung nach § 33 Absatz 3 der Bundeslaufbahnverordnung bleibt unberührt.“ Eine ähnliche Regelung findet sich zum Beispiel auch in § 18 Abs. 3 Landesgleichstellungsgesetz (LGG) Sachsen.

    Anknüpfungspunkt der fiktiven Nachzeichnung

    In der Praxis ist häufig schon der Anknüpfungspunkt für die fiktive Nachzeichnung problematisch. Bezugspunkt sollte der individuelle Leistungs- und Qualifikationsstand zeitlich direkt vor der Übernahme des Amtes als Gleichstellungsbeauftragte sein. Auch sollte zu diesem Zeitpunkt bereits eine repräsentative Vergleichsgruppe (siehe weiter unten) gebildet werden. Diese Bestandteile sollten von der Dienststelle transparent festgehalten und dokumentiert werden. Nicht selten versäumt die Dienststelle aber genau das.

    Maßstäbe der fiktiven Nachzeichnung

    Ein wichtiger Anhaltspunkt bei der fiktiven Nachzeichnung ist die Vergleichsgruppe. Diese sollte direkt bei Amtsübernahme gebildet werden und es sollten dabei folgende Beschäftigte berücksichtigt werden:

    • Beschäftigte, die dasselbe statusrechtliche Amt innehaben bzw. derselben Entgeltgruppe angehören,

    • Beschäftigte, die über vergleichbare Qualifikationen verfügen,

    • Beschäftigte, die über vergleichbare Ausgangsbewertungen in ihren Beurteilungen verfügen.

    Der Dienststelle wird bei der Bildung einer Vergleichsgruppe ein hoher Ermessensspielraum zugestanden, sodass das Gericht diese Gruppe nur sehr begrenzt überprüfen kann. Entwickeln sich die Beschäftigten der Vergleichsgruppe überwiegend weiter (beruflicher Aufstieg), muss dies auch Ihnen zugutekommen.

    Abgrenzung: Fiktive Nachzeichnung vs. Beurteilung

    Häufig wird die fiktive Nachzeichnung mit den dienstlichen Beurteilungen gleichgesetzt bzw. im Verhältnis zu diesen undifferenziert behandelt. Dies ist meiner Ansicht nach nicht richtig. Insbesondere der Wortlaut des § 28 Abs. 3 BGleiG grenzt beispielsweise die Beurteilung im Sinne der Bundeslaufbahnverordnung (§ 33 BLV) von der fiktiven Nachzeichnung ab, indem festgehalten wird, dass „der Anspruch auf fiktive Nachzeichnung der dienstlichen Beurteilung nach § 33 Absatz 3 der Bundeslaufbahnverordnung“ durch § 28 Abs. 3 BGleiG unberührt bleibt.

    Dienstliche Beurteilungen sind meines Erachtens vielmehr als Teilaspekt der fiktiven Nachzeichnung zu betrachten, bilden jedoch grundsätzlich nicht die gesamte fiktive Fortschreibung des beruflichen Werdegangs ab. Hierfür müssen noch weitere Aspekte berücksichtigt werden, wie beispielsweise die Entwicklung der Vergleichsgruppe, die laufend auf den aktuellen Stand gebracht werden muss.

    Die BLV gilt zwar nur für Beamt*innen, aber auch bei Beurteilungen von Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst ist davon auszugehen, dass die Fortschreibung einer solchen Beurteilung grundsätzlich nicht automatisch den Anspruch auf eine fiktive Nachzeichnung im gleichstellungsrechtlichen Sinne erfüllt.

    FAQ-Bereich

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    Was bedeutet fiktive Nachzeichnung?

    Die fiktive Nachzeichnung dient dazu, den hypothetischen (fiktiven) beruflichen Werdegang, den Sie voraussichtlich beschritten hätten, wenn Sie nicht das Amt der Gleichstellungsbeauftragten
    (oder Stellvertreterin) übernommen hätten, darzustellen. Hintergrund dafür ist auch dass Sie als Gleichstellungsbeauftragte aufgrund Ihres Amtes grundsätzlich weder bevorzugt noch benachteiligt werden dürfen. Die Schwierigkeit besteht letztlich darin, wie diese fiktive Nachzeichnung ausgestaltet ist und an welchen Maßstäben sie sich orientieren soll.

    Was sind Maßstäbe der fiktiven Nachzeichnung?

    Ein wichtiger Anhaltspunkt bei der fiktiven Nachzeichnung ist die Vergleichsgruppe. Diese sollte direkt bei Amtsübernahme gebildet werden und es sollten dabei folgende Beschäftigte berücksichtigt werden.