Wie lange uns die Coronapandemie noch begleiten wird, kann niemand wirklich sagen. Gute Impfprognosen haben zunächst eine leichte Hoffnung erkennen lassen, die aktuell jedoch durch neue Mutanten ins Wanken gerät. Es ist nicht leicht, in diesen Zeiten die Gesundheit im Blick zu behalten. Aber genau dies ist wichtiger denn je. Wie Sie als Gleichstellungsbeauftragte Ihre eigene Gesundheitskompetenz stärken und andere bei deren Stärkung unterstützen können, haben wir Ihnen nachfolgend zusammengestellt.
Das ist unter Gesundheit zu verstehen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit als einen „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens, und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechens“ (siehe Verfassung der WHO). Dieser Definition folgend können Sie sich nun einmal die Frage stellen: Bin ich gesund?
Gesundheit in Zeiten von Corona
Seit der Pandemie ist der Fokus so scharf auf das „Nichtanstecken“ gestellt, dass alles andere eher nebensächlich wurde. Durch die zur Eindämmung der Coronapandemie notwendigen, lang andauernden Beschränkungen war es zudem vielen nur schwer möglich, auch auf das körperliche und insbesondere auf das geistige und soziale Wohlergehen Rücksicht zu nehmen.
Frauengesundheit in Zeiten von Corona
Fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder haben hauptsächlich Frauen aufgefangen. Die Doppelbelastung von Berufstätigkeit und Homeschooling oder aber die finanziellen Sorgen, wenn die Arbeitszeit reduziert werden musste, hat viele an den Rand der Belastungsgrenze gebracht.
Laut Psychotherapeutin Anne Meinhold sind die Burn-out-Raten bei Müttern schon vor der Pandiemie jährlich kontinuierlich angestiegen. Die spezielle Situation von Müttern gehört immer noch nicht zu den Grundlagen der Psychotherapie, weder im Studium noch in der Forschung. Daher kann es hier zu Fehldiagnosen kommen, beispielsweise wenn eine Selbstwertproblematik aus der Kindheit diagnostiziert wird, statt die Erschöpfungsdepression bei einer Hausfrau und Mutter (Quelle: https:// www.zeit.de/gesellschaft/schule/2021-04/anne-meinhold-psychotherapie-corona-pandemie-belastung-muetter?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F; abgerufen am 24.6.2021).
Meine Empfehlung:
Machen Sie sich bewusst, was Frauengesundheit bedeutet
Viel häufiger sind es Frauen, die an einem Burn-out oder an einer Depression erkranken, als Männer. Dies wird insbesondere auch durch soziale und emotionale Faktoren verstärkt, die neben der beruflichen Überlastung bei Frauen in erhöhtem Maße noch dazukommen.
Da diese Faktoren nicht sichtbar oder messbar sind, verläuft die Überlastung meist unbewusst ab.
Faktoren, die Frauengesundheit beeinflussen und zu (unbewusster) Überlastung führen können
1. Care-Arbeit und Pflege
Das Betreuen (und während der Pandemie auch Unterrichten) von Kindern und das Pflegen von Angehörigen, damit einher- gehend auch die sogenannte Sorgearbeit, also „Was wird aus meinen Kindern?“, gehören dazu. Mütter fühlen sich häufig zu 100 % verantwortlich.
2. Mental Load durch Familien- bzw. Alltagsmanagement
Hierzu gehören Erstellen und Einhalten von sämtlichen Alltags- strukturen, Korrespondenz mit Betreuungs- und Pflegeeinrich- tungen, Zeitmanagement und Delegation der jeweils einzelnen Aufgaben.
3. Rollenmuster
Auch traditionelle Rollenmuster und Klischees können krank ma- chen. Die Rollenzwänge und die damit einhergehenden Anforde- rungen sind bei Frauen vielfältiger ausgeprägt als bei Männern, besonders wenn noch Kinder und Haushalt dazukommen.
Zwischen den verschiedenen Rollen hin und her zu switchen ist anstrengend und kostet sehr viel Energie. Sind Sie beispielsweise Gleichstellungsbeauftragte, Arbeitnehmerin, Mutter und Partne- rin, sind Sie vermutlich auch noch Managerin des Haushalts. Alle diese unterschiedlichen Rollen sind mit gewissen Erwartungen und Herausforderungen verknüpft. Da ist es nicht verwunderlich, dass Sie die eigenen Bedürfnisse aus dem Blick verlieren. (Lesen Sie dazu: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/Spotlight_Rollen_und_Aufgabenverteilung_bei_Frauen_und_Maennern_in_Zeiten_von_Corona.pdf)
Burn-out-Anzeichen
Viele Betroffene sind sich der Symptome nicht bewusst. Erste Anzeichen sollten aber bereits ernst genommen werden. Außerdem kann so schon individuell gegengesteuert werden.
Erste körperliche Anzeichen können sein:
- Sie fühlen sich matt und erschöpft, niedergeschlagen oder ruhelos, ängstlich.
- Sie schlafen eventuell schlechter oder unruhiger.
- Sie haben vermehrt Kopf-, Nacken- oder Rückenschmerzen.
- Sie klagen vielleicht auch über einen Tinnitus, Magenprobleme oder Herzrasen.
Emotionale Anzeichen können sein:
- Gereiztheit
- innere Unruhe
- Frust und Unlust
- Kraftlosigkeit
- Abwehr gegen den Beruf
- das Gefühl, alles muss anders sein und alle anderen haben Unrecht
- Sinnlosigkeit
Unter https://kerstinboecker.de/die-6-burnout-phasen finden Sie eine Auflistung der Burn-out-Stufen.
Machen Sie sich bewusst, wo Sie gerade stehen
Sollten Sie erste körperliche und emotionale Symptome bei sich erkennen, funktioniert Ihr Warnsystem! Reflektieren und notieren Sie sich einmal, was Sie kurzfristig an Ihrer Situation ändern können. Oftmals sind es schon kleine Stellschrauben, die Großes bewirken können. Hier sind einige Beispiele:
- Wie perfektionistisch bin ich eigentlich (Kontext Arbeit, priva- te Zeit, Haushalt, Kinder)?
- Leide ich an einem Helfersyndrom und fühle mich oft aus- genutzt?
- Ich fühle mich gestresst, sage aber trotzdem ja?
- Welche körperlichen Symptome bemerke ich in welcher Situation?
Bedenken Sie: Wenn Sie Ihre eigenen Grenzen nicht kennen, können auch andere sie nicht sehen. Insbesondere dieser Aspekt fällt vielen Frauen schwer: die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und anschließend auch durchzusetzen. Das ist jedoch nicht egoistisch, sondern einfach nur gesund.
Stärken Sie Ihre Gesundheitskompetenz
Jede*r hat andere Bedürfnisse; daher ist es sehr wichtig, komplett bei sich zu bleiben und sich zu fragen, wo die eigenen Bedürfnisse liegen. Niemand kann wissen, wie es Ihnen geht. Hören Sie daher nicht auf gut gemeinte Ratschläge. Denn diese können wiederum zu Stress führen, falls Sie körperlich einfach nicht in der Lage sind, den Ratschlag zu befolgen.
Tipps für den Bereich Arbeit
Erkennen Sie erste Anzeichen von Burn-out, müssen Sie insbesondere auch im Arbeitsalltag lernen, gewisse Änderungen vorzunehmen, wie beispielsweise:
- Fällt es Ihnen schwer, die Pausen einzuhalten, stellen Sie sich eine Erinnerungsfunktion.
- Gehen Sie in der Mittagspause eine Runde spazieren.
- Trinken Sie täglich mindestens 8 Gläser Wasser. Helfenkann Ihnen hierbei auch eine App, z. B. „Hydro Coach“.
- Setzen Sie realistische Grenzen für sich und andere.
- Geben Sie Arbeit ab oder holen Sie sich Hilfe, insbesondere in Ihrem Amt als Gleichstellungsbeauftragte.
- Integrieren Sie tägliche Meditationen, auch wenn es nur 5 Minuten sind (oder nennen Sie dies einfach bildschirmfreie Zeit!).
- Wenn Sie die Toilette aufsuchen, schauen Sie in den Spiegel und lächeln Sie sich mindestens 30 Sekunden an.
- Lösen Sie sich mental von Ihrer Arbeit, wenn Sie diese verlassen. Sobald Sie die Ausgangstür hinter sich lassen, liegt es nicht mehr in Ihrer Verantwortung.
Änderungen im privaten Kontext sind oftmals schwieriger
Sie kennen das sicher: Im Laufe der Jahre haben sich bestimmte Muster im familiären Kontext ergeben. Diese gilt es, mal zu hinterfragen. Wie oben erwähnt, sind es gerade diese Probleme bei Frauen, die von niemandem gesehen werden, aber so große Auswirkungen haben können.
Machen Sie sich klar, was Sie alles leisten. Schreiben Sie, wenn möglich gemeinsam mit Ihrem*r Partner*in oder auch allen im Haushalt lebenden Personen, eine Liste, welche Verantwortungen auf wessen Schultern liegen, und geben Sie einige von Ihren ab. Planen Sie sich Zeit für sich allein und Ihre eigenen Bedürfnisse ein!
Suchen Sie ärztliche Hilfe
Haben Sie bereits über einen längeren Zeitraum hinweg Beschwerden oder verspüren Sie das Gefühl, nicht mehr allein eine Änderung einläuten zu können, zögern Sie nicht und suchen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt auf. Denn oftmals ist ein erster Termin bei einer Therapeutin mit einer Wartezeit von mehreren Monaten verbunden. Eventuell kann diese Ihnen auch bei einem Antrag für eine Kur behilflich sein.
Fazit: Selbstverantwortung übernehmen
Jede*r Einzelne ist selbst dafür verantwortlich, für die eigene Gesundheit Partei zu ergreifen. Hören Sie auf die Warnsignale Ihres Körpers und nehmen Sie sie ernst. Sehen Sie es als Chance, etwas zum Positiven zu verändern.
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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit als einen „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens, und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechens“ (siehe Verfassung der WHO).
Fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder haben hauptsächlich Frauen aufgefangen. Die Doppelbelastung von Berufstätigkeit und Homeschooling oder aber die finanziellen Sorgen, wenn die Arbeitszeit reduziert werden musste, hat viele an den Rand der Belastungsgrenze gebracht. Laut Psychotherapeutin Anne Meinhold sind die Burn-out-Raten bei Müttern schon vor der Pandiemie jährlich kontinuierlich angestiegen.