Luise F. Pusch – Mutter der gendergerechten Sprache
14. Januar 1944:Geboren in Gütersloh
1972:Promotion im Fach Anglistik
1978:Habilitation im Fach Sprachwissenschaften
seit 1979:   Forschungsschwerpunkt feministische Linguistik
1979 bis 1984:Heisenberg-Stipendiatin auf dem Gebiet der feministisch-linguistischen Forschung
1981:Veröffentlichung ihres autobiografischen Romans „Sonja“
seit 1982:Aufbau der Datenbank für Biografien bedeutender Frauen „FemBio“
1982 bis 1985:Vertretung für eine germanistische und eine anglistische Professur an den Universitäten Hannover und Duisburg
1984:Veröffentlichung von „Deutsch als Männersprache“
1985:Ernennung zur außerplanmäßigen Professorin an der Universität Konstanz
1990 bis 1991:Vertretung für eine Professur für Frauenforschung an der Universität Münster
1990:Veröffentlichung von „Alle Menschen werden Schwestern: feministische Sprachkritik“
1992:Veröffentlichung von „Ladys first: Ein Gespräch über Feminismus“
1999:Veröffentlichung von „Die Frau ist der Rede wert“
2004:Wahl zur „BücherFrau des Jahres“ durch den Verein „BücherFrauen“
2014:Erscheinen der Festschrift „Die Sprachwandlerin“ zu ihrem 70. Geburtstag
Auszeichnung mit der „Plakette für Verdienste um die Landeshauptstadt Hannover“
2016:Verleihung des „5. Luise-Büchner-Preises für Publizistik“
2021:Hochzeit mit der Germanistin und Frauenforscherin Joey Horsley

„Das generische Maskulinum macht Frauen unsichtbar“, wird die Sprachwissenschaftlerin und Feministin Luise F. Pusch nicht müde, zu betonen. Seit 1979 widmet sie sich der feministischen Linguistik, schrieb seitdem viele Bücher und Aufsätze zu diesem Thema. Sie gilt in Deutschland als Mutter der gendergerechten Sprache und ist Erfinderin der sogenannten Gender-Pause.

Kindheit in sozial schwachen Verhältnissen

Geboren wurde Luise F. Pusch als Frohmut Pusch am 14. Januar 1944 in Gütersloh. Ihrem, wie sie sagte, „ungeliebten“ Vornamen stellte sie als Teenagerin den Namen Luise voran und trug fortan diesen als Rufnamen.

Ihre Mutter, eine Krankenschwester, ließ sich nach nur wenigen Jahre Ehe von Luises Vater, einem Missionar, scheiden. Mit zwei Geschwistern wuchs Luise Pusch bei der Mutter in ärmlichen Verhältnissen auf und war auf dem Mädchengymnasium „sozial das Schlusslicht“, wie sie später erzählte. „Es hieß immer, aus uns Kindern könne ja nichts werden. Und ich wollte zeigen: Aus mir wird doch was!“

Studium, Promotion und Habilitation 

Nach ihrem Abitur studierte Luise Pusch Anglistik, Latinistik und Allgemeine Sprachwissenschaften an der Universität Hamburg. 1972 promovierte sie dort im Fach Anglistik, 1978 habilitierte sie im Fach Sprachwissenschaften an der Universität Konstanz. 

Ebenfalls 1978 veröffentlichte die Sprachwissenschaftlerin Senta Trömel-Plötz einen Aufsatz mit dem Titel „Linguistik und Frauensprache“ und stellte darin dar, dass Frauen in Sprache und Grammatik benachteiligt werden würden und die Sprache daher verändert werden müsse. Ihre männlichen Kollegen reagierten mit Häme und Spott auf diese These. „Da bin ich in die Arena gestiegen“, erzählte Luise Pusch später in einem Interview. „Ich habe Sentas Kritiker mit Genuss auf den Topf gesetzt.“

Begründung der feministischen Linguistik

Luise Pusch ändert ihren Forschungsschwerpunkt: Sie befasst sich nicht länger mit der Funktion von Instrumental- und Modalsätzen, sondern begründet gemeinsam mit Senta Trömel-Plötz die feministische Linguistik in Deutschland. Dies hatte massive Auswirkungen auf ihre akademische Karriere: „Offene Ablehnung und subtilere Varianten der schroffen Ablehnung, das alles gab es“, erinnert sich Luise Pusch in einem Interview. 

Einen eigenen Lehrstuhl bekam die habilitierte Sprachwissenschaftlerin nie angeboten, wohl aufgrund ihrer feministischen Sprachkritik: „Die sprachwissenschaftlichen Fachbereiche war nicht nur männlich dominiert, vielmehr gab es damals so gut wie keine Frauen, schon gar nicht solche wie mich. Man wollte offenkundig auf keinen Fall eine Luise F. Pusch, die auch noch Student*innen ausbildet, die in der Zukunft wiederum Einfluss haben würden.“

Heisenberg-Stipendium für weitere Forschungen

Immerhin erhielt die Sprachwissenschaftlerin 1979 ein Heisenberg-Stipendium. Dieses wird seit 1977 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur individuellen Förderung herausragender Nachwuchskräfte vergeben. Luise Pusch stand somit nicht mittellos dar und erhielt die Chance, sich weiterhin der Sprachwissenschaft und insbesondere der feministischen Linguistik zu widmen.

Vor allem aus der Frauenbewegung erhielt sie großen Zuspruch, und so verfasste Luise Pusch zahlreiche Aufsätze. 1984 erschien ihre Textsammlung „Deutsch als Männersprache: Diagnose und Therapievorschläge“, die zu den Topsellern der Edition Suhrkamp gehört und das bestverkaufte sprachwissenschaftliche Werk der Nachkriegsgeschichte ist.

Partnerin beging Selbstmord

Wenige Jahre zuvor, 1981, hatte Luise Pusch ihren autobiografischen Roman „Sonja“ noch unter dem Pseudonym Judith Offenbach veröffentlicht. „Es ging nicht anders, ich hätte sonst meine wissenschaftliche Karriere in den Sand gesetzt“, begründete sie. Doch schreiben und herausbringen musste sie die tragische Geschichte über ihre Beziehung zu einer Kommilitonin, die schließlich Selbstmord beging. „Die Gesellschaft war da an uns schuldig geworden, das verdiente, aufgeschrieben zu werden.“

Luise Pusch suchte sich aufgrund dieser schrecklichen Erfahrung und mit der Absicht, sich „umpolen“ zu lassen, psychologische Hilfe: „Ich konnte diesen Druck nicht mehr aushalten, dieses Anderssein, das nicht erkannt und gezeigt werden durfte. Die Erkenntnis, dass ich normal bin, musste ich mir mühsam erarbeiten.“

1986 lernte Luise Pusch bei einer Rundreise durch die USA die Germanistin Joey Horsley kennen. Beide sind seither ein Paar, leben in Hannover und Boston und haben 2021 geheiratet.

Aufbau der Datenbank „FemBio“

1982 begann Luise Pusch, die Datenbank „FemBio“ aufzubauen, in der sie bis heute über 30.000 Biografien bedeutender Frauen zusammengetragen hat. 

Im selben Jahr erhielt sie eine Vertretungsstelle für eine germanistische und anglistische Professur an den Universitäten Hannover und Duisburg. 1985 wurde sie zur außerplanmäßigen Professorin an der Universität Konstanz ernannt, erhielt aber keine Planstelle. Von 1990 bis 1991 war sie Vertretung für eine Professur für Frauenforschung an der Universität Münster.

„Frauen werden unsichtbar gemacht“

Luise Pusch verfasste im Laufe ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit zahlreiche Aufsätze, darunter „Alle Menschen werden Schwestern: feministische Sprachkritik“ (1990), „Ladys first: Ein Gespräch über Feminismus“ (1992) und „Die Frau ist der Rede wert“ (1999). 

Gemeinsam ist ihren Veröffentlichungen die These, dass die Frau in der deutschen Sprache kaum sichtbar ist. „Frauen sind die Mehrheit der Bevölkerung, werden aber durch das so genannte generische Maskulinum effektiv unsichtbar gemacht“, schreibt Luise Pusch in einem Beitrag für das Magazin „EMMA“. „Vielen Frauen fällt ihre sprachliche Herabsetzung nicht einmal auf. Wir haben uns daran gewöhnt wie an all die anderen Formen der Gewalt gegen uns, von subtil bis brutal.“

Erfindung des Glottis-Schlags

Deshalb fordert die Sprachwissenschaftlerin seit jeher, Frauen in der Sprache sichtbar zu machen. In den 1980er-Jahren prägte sie daher den Begriff „Glottis-Schlag“ als lautliche Entsprechung des Binnen-I. Dieses hatte der Schweizer Journalist Christoph Busch erfunden, Luise Pusch propagiert es im gesamten deutschsprachigen Raum als kreative und gute Lösung, um Frauen nicht länger im generischen Maskulinum mit zu meinen. 

„Bis heute finde ich das Beharren von Linguist*innen nicht einleuchtend, warum das Deutsche sich auf das generische Maskulinum beschränken sollte. Dafür gibt es sprachwissenschaftlich keinen vernünftigen Grund, außer dem, dass Frauen unsichtbar bleiben sollen“, sagte Luise Pusch in einem Interview.

Einführung des generischen Femininums

Neben dem Binnen-I bietet die Sprachwissenschaftlerin deshalb noch eine zweite Lösung an: das generische Femininum. „Sicher, beim generischen Femininum muss die Sprachgemeinschaft auch eine Kröte schlucken – eine gewaltige, aber nur eine“, schreibt Luise Pusch in einem Beitrag für „EMMA“. „Sie muss akzeptieren, dass nunmehr das Femininum das Maskulinum einschließt und mit meint. Das Femininum enthält ja auch sichtbar das Maskulinum: Lehrer ist in Lehrerin deutlich enthalten.“

Dem Gendersternchen, das dem Binnen-I häufig vorgezogen wird, um alle Geschlechter abzubilden, steht Luise Pusch eher kritisch gegenüber: „Wichtig ist mir, dass das Sternchen nicht als Platzhalter interpretiert wird, wie beispielsweise in Leser*innen. Denn damit stünde das Maskulinum, hier Leser, für die Männer, das Sternchen für die Diversen und danach die Endung innen für uns Frauen. Das ist nicht einleuchtend, sondern kränkend.“

Frauen verschwinden in der Transgender-Debatte

Die gesamte Transgender-Debatte findet Luise Pusch sehr unausgewogen – zum Nachteil der Frauen: „Von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis kann keine Rede mehr sein. Das sprachliche Terrain, das einmal von Männern beherrscht wurde, teilen diese sich nun zu gleichen Teilen mit Frauen und Transgender-Personen.“ 

In Begriffen wie „FLINTA“ würden Frauen erneut verschwinden, auch Mütter „gebärende Personen“ und Muttermilch „Menschenmilch“ zu nennen, sei absurd. „Fast täglich lesen wir von neuen Beleidigungen gegen Frauen, damit Transmänner sich nicht ausgeschlossen fühlen“, schreibt Luise Pusch in der „EMMA“. Ein Recht auf sprachliche Sichtbarkeit hätten Intersexuelle und Diverse selbstverständlich, aber nicht zulasten der Frauen.

Auszeichnungen und Ehrungen

Die Sprachwissenschaftlerin wurde anlässlich ihres 70. Geburtstags im Jahr 2014 mit der Festschrift „Die Sprachwandlerin“ geehrt. Viele Weggefährtinnen und Freundinnen, darunter auch Senta Trömel-Plötz, schrieben kurze Aufsätze zu Ehren Luise Puschs und trugen diese zu der Festschrift bei.

Ebenfalls 2014 erhielt Luise Pusch die „Plakette für Verdienste um die Landeshauptstadt Hannover“. 2016 wurde ihr der „5. Luise-Büchner-Preis für Publizistik“ verliehen.


Bildquelle: https://taz.de/Die-Lobbyistin-des-Binnen-I/!5925435/ ©Franziska Gilli