Helma Sick
Helma Sick – „Grande Dame“ der Finanzberatung für Frauen
1941Geburt in Viechtach, Bayerischer Wald
1957Schulabschluss,
Bürohilfe im Sekretariat eines Musikkonservatoriums in München
1958Rückkehr in ihren Heimatort,        
Sekretärin bei der Regentalbahn,   
Schreibmaschinenkurse für Bäuerinnen und Bauern aus der Umgebung
1970Umzug nach München,       
Anstellung als Sekretärin bei der Wohnungsbaugesellschaft „Neue Heimat“,  
Eintritt in die SPD
1972Hochzeit mit dem Chemiker Erwin Sick
1977Mitbegründerin des ersten Frauenhauses in München
1977-1982Kaufmännische Geschäftsführerin des ersten Frauenhauses in München
1982Adoption eines Sohnes
1982-1986Elternzeit,
Abendstudium der Betriebswirtschaft
1987Gründung der Finanzberatung „frau & geld“
1996-2022Kolumnistin für Geldthemen für die Zeitschriften „Brigitte“ und „Brigitte Woman“
2000„Frau & Geld. Ein Finanzratgeber“
2001Scheidung von Erwin Sick
2003„Wie Frau sich bettet. Wege zum Wohlstand im Alter“
2009„Wenn ich einmal reich wär: Träumen ist gut, planen ist besser“
2010„Schöne Aussichten: Keine Angst vom Alter! Wie Frauen finanziell am besten vorsorgen“
2012„Clever anlegen: Der Finanzratgeber für junge Frauen“
2014„Reich in Rente. Wie Frauen am besten vorsorgen“      
„Reich für Einsteigerinnen. Der Finanzratgeber für junge Frauen“
2015„Ein Mann ist keine Altersvorsorge. Warum finanzielle Unabhängigkeit für Frauen so wichtig ist“
2018„Aufgeben kam nie in Frage. Warum ich dafür kämpfe, dass Frauen ihr eigenes Geld haben“
2022Verleihung des Bundesverdienstkreuzes

Wie sehr die Kindheit einen Menschen prägt, zeigt das Leben von Helma Sick: Demütigung und Gewalt durch die Mutter, Missbrauch durch den Vater und Armut machten ihre ersten Lebensjahre aus. Diese Erfahrungen ließen Helma Sick nach etlichen Jahren schließlich aus ihrem Leben ausbrechen. Ihre Wut nutzte sie konstruktiv, um anderen Frauen zu helfen.

„Du bist nichts, aus dir wird nichts“

1941 wurde Helma Sick, geborene Fritz, in der Kleinstadt Viechtach im Bayerischen Wald geboren. Ihre Mutter entstammte einer Großfamilie mit zehn Kindern und war selbst in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Ihr Vater, der deutlich älter als ihre Mutter war, führte einen kleinen Schreibwarenladen. Helma Sick wuchs mit einem acht Jahre älteren Bruder auf.

Von der Mutter wurde Helma Sick von Geburt an geradezu verachtet, wie aus späteren Erzählungen von Helma Sick deutlich wird. Abscheulichkeiten wie: „Wenn ich dich doch gleich nach der Geburt ertränkt hätte“, und: „Du bist nichts, aus dir wird nichts“, warf ihre Mutter ihr immer wieder an den Kopf. Bei den psychischen Demütigungen blieb es nicht, die Mutter wurde Helma Sick gegenüber auch physisch gewalttätig. 

Der Vater hingegen liebte seine Tochter – allerdings anders, als ein Vater sein Kind lieben sollte. „Es war nicht nur reine Vaterliebe“, erkannte Helma Sick, als sie als erwachsene Frau zwei Therapien machte.

Schulabschluss zwangsweise bereits nach der mittleren Reife

Obwohl Helma Sick eine sehr gute Schülerin war, musste sie auf Geheiß ihrer Mutter die Schule 1957 nach der mittleren Reife verlassen und durfte nicht das Abitur machen. „Mehr brauchst du nicht. Du gehst in ein Büro, bis du heiratest, dann bist du sowieso versorgt“, habe ihre Mutter ihren Willen begründet.

Nach dem Schulabschluss zog Helma Sick von zu Hause aus und arbeitete als Bürohilfe im Sekretariat eines Musikkonservatoriums in München. Doch schon nach einem Jahr kehrte sie zurück in ihr Elternhaus. „Ich war überfordert vom Leben in der Großstadt“, erzählte sie rückblickend in einem Interview. „Ich bin zurückgegangen mit dem Gefühl, ich bin gescheitert.“

Chef traute ihr als Erster mehr zu

Nachdem ihr Vater kurz nach ihrer Rückkehr gestorben war, erbte ihr Bruder den Schreibwarenladen, das Wohnhaus und sämtliches anderes Vermögen. Helma Sick erhielt lediglich ein lebenslanges Wohnrecht in ihrem Elternhaus, musste finanziell jedoch selbst für sich sorgen. Sie fand eine Anstellung als Sekretärin bei der Regentalbahn und gab in den Wintermonaten in den Wirtshäusern der Umgebung Schreibmaschinenkurse für Bäuerinnen und Bauern.

Entscheidend für den bedeutenden Wandel in ihrem Leben war der Tag, an dem ihr damaliger Chef zu ihr sagte, dass er sie im nächsten Jahr nicht mehr sehen wolle – aus einem positiven Grund: „Sie können doch viel mehr. Trauen Sie sich, machen Sie sich auf den Weg.“

Abkehr von der Heimat

Und so kehrte Helma Sick 1970 ihrem Elternhaus endgültig den Rücken und zog erneut nach München. Sie arbeitete als Sekretärin bei der Wohnungsbaugesellschaft „Neue Heimat“ und wurde schon bald zu einer der drei Chefsekretärinnen befördert, später sogar zur Vorstandssekretärin.

Den Umzug und das neu gewonnene Selbstvertrauen nutzte Helma Sick, um sich endgültig von ihrer Mutter zu lösen: Sie trat aus der katholischen Kirche aus, in die SPD ein und schloss sich politischen Frauengruppen an. Sie besuchte Seminare, in denen es um die Gleichberechtigung von Frauen ging.

Zehn Jahre lang analytische Gesprächstherapie

„Ich habe dann wirklich zum ersten Mal begriffen, dass ich kein Einzelschicksal war. Dass das typisch ist für Mädchen meiner Generation. Dass sie ums Erbe betrogen werden, dass sie misshandelt werden, dass ihnen nichts zugetraut wird“, beschreibt Helma Sick in einem Zeitungsinterview.

Deshalb begann sie, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, und begab sich in Therapie. Sie machte zunächst eine Psychoanalyse und darauf aufbauend eine analytische Gesprächstherapie – jede Woche, zehn Jahre lang. „Ich konnte weinen, ich konnte den Schmerz rausschreien“, sagte Helma Sick über ihre Therapien in einem Interview. „Ich habe Güte erfahren, Verständnis erfahren. Ich wurde für nichts verurteilt. Und ich bin gefördert worden und ermuntert worden. Und habe dadurch Heilung erfahren.“

Mitbegründerin des ersten Frauenhaues in München

In München lernte Helma Sick den Chemiker Erwin Sick kennen und lieben, das Paar heiratete 1972. Fünf Jahre später erfuhr sie eher zufällig, dass in München ein Frauenhaus geplant wurde, und bewarb sich als kaufmännische Geschäftsführerin beim Sozialreferat der Stadt München.

Helma Sick kündigte ihre Anstellung bei der Wohnungsbaugesellschaft und wurde die erste Mitarbeiterin des Münchener Modellprojekts. 1978 eröffnete das Frauenhaus, welches das erste überhaupt in der bayerischen Landeshauptstadt war. 

Entzug von Geld als Form der Gewalt

Als Geschäftsführerin des Frauenhauses lernte Helma Sick viele Frauen kennen, die ganz wie sie Demütigung und Gewalt erfahren hatten, jedoch auch auf andere Weise. Sie erkannte, dass die finanzielle Abhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern beziehungsweise der Entzug von Geld auch eine Form von Gewalt ist: „Denn wenn jemand kein Geld hat, ist die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Und ich habe gemerkt, dass viele Frauen sich ein selbstbestimmtes und selbst finanziertes Leben überhaupt nicht vorstellen konnten.“

Diese Erfahrungen prägten Helma Sick und ließen in ihr eine Idee aufkeimen, die sich jedoch erst einige Jahre später zu einem großen Ganzen entwickelte. Zunächst ging die inzwischen 41-Jährige 1982 in Elternzeit, da sie mit ihrem Ehemann einen Sohn adoptiert hatte. In diesen vier Jahren absolvierte sie ein Abendstudium in Betriebswirtschaft.

„Ich wollte etwas mit und für Frauen machen“

1986 dann reifte die Idee, die einige Jahre zuvor aufgekeimt war, endgültig heran: In der Zeitschrift „Brigitte“ las Helma Sick einen Artikel über eine Finanzberatung für Frauen in Bremen. „Ich wusste sofort: Das könnte ich machen. Ich kannte mich mit Geld aus, ich wollte etwas mit und für Frauen machen, und ich wollte selbstständig sein“, so Helma Sick.

Nach ihrer Elternzeit arbeitete sie in einem Finanzvertrieb und besuchte viele Fortbildungen zu Finanzthemen. „Ich war meist die einzige Frau und erntete von den Männern Hohn und Spott“, beschreibt sie. Doch unterkriegen ließ sich die inzwischen selbstbewusste Frau nicht und gründete bereits 1987 ihre eigene Finanzberatung für Frauen: „frau & geld“. 

Klein angefangen, inzwischen längst sehr erfolgreich

Helma Sick begann klein, mit einem winzigen Büro und einer Kollegin – Svea Kuschel. Zusätzlich hielt Helma Sick auch Vorträge, zu denen anfangs nur eine Handvoll Besucherinnen kamen.

Inzwischen hat das Unternehmen „frau & geld“ elf Mitarbeiterinnen, die Geschäftsführung hat Helma Sicks Nichte Renate Fritz übernommen. Die Vorträge von Helma Sick besuchen heute jedes Mal mehrere Hundert Frauen.

Zahlreiche Sachbücher veröffentlicht

Neben ihrer Tätigkeit als Finanzberaterin hat sich Helma Sick auch als Autorin und Kolumnistin betätigt: Seit 1996 schreibt sie Kolumnen zu Finanzthemen für die Zeitschriften „Brigitte“ und „Brigitte Woman“, zusätzlich hat die Finanzberaterin folgende Sachbücher veröffentlicht:

  • „Frau & Geld. Ein Finanzratgeber“ (erschienen 2000)
  • „Wie Frau sich bettet. Wege zum Wohlstand im Alter“ (erschienen 2003)
  • „Wenn ich einmal reich wär: Träumen ist gut, planen ist besser“ (erschienen 2009)
  • „Schöne Aussichten: Keine Angst vom Alter! Wie Frauen finanziell am besten vorsorgen“ (mit Renate Fritz, erschienen 2010)
  • „Clever anlegen: Der Finanzratgeber für junge Frauen“ (erschienen 2012)
  • „Reich in Rente. Wie Frauen am besten vorsorgen“ (mit Renate Fritz, erschienen 2014)
  • „Reich für Einsteigerinnen. Der Finanzratgeber für junge Frauen“ (erschienen 2014)
  • „Ein Mann ist keine Altersvorsorge. Warum finanzielle Unabhängigkeit für Frauen so wichtig ist“ (mit Renate Schmidt, erschienen 2015)
  • „Aufgeben kam nie in Frage. Warum ich dafür kämpfe, dass Frauen ihr eigenes Geld haben“ (erschienen 2018)

Scheidung nach fast 30 Jahren Ehe

Nach fast 30 Jahren Ehe ließ sich Helma Sick 2001 von ihrem Ehemann scheiden. „Zu Beginn unserer Beziehung hatte mein Mann mich immer gestärkt und ermutigt. Das hat sich gedreht, als ich immer erfolgreicher wurde. Er fing an, an mir herumzunörgeln“, beschreibt Helma Sick ihre Ehe. 

Einige Jahre lebte Helma Sick allein in dem Münchener Haus, das sie einst mit ihrem Ehemann erworben hatte. Dann übergab sie das Haus ihrem Sohn und dessen Familie – ihr Sohn ist verheiratet und hat zwei Kinder – und zog in eine Seniorenresidenz. 

Im Oktober 2022 erhielt Helma Sick das „Bundesverdienstkreuz am Bande“ für ihr großes Engagement für finanzielle Gleichberechtigung: „Sie ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die uns als Frauen wirklich viele Wege geebnet hat“, sagte Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf, als sie Helma Sick das Bundesverdienstkreuz überreichte. 


Bildquelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/frauen-und-geld-helma-sick-lebensgeschichte-100.html