Alexandra Kollontai
31. März 1872 | Geburt in Sankt Petersburg |
1893 | Hochzeit mit Wladimir Kollontai |
1898 | Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Zürich |
1899 | Rückkehr nach Russland |
1907 | Exil in Deutschland, Frankreich und Skandinavien |
1917 | Rückkehr nach Russland |
1918 | Hochzeit mit Pavel Dybenko |
1920 | „Rede an die Arbeiterinnen“ |
1923 | Gesandte der Sowjetunion in Norwegen |
1926 | Gesandte der Sowjetunion in Mexiko |
1930 | Gesandte der Sowjetunion in Schweden |
1943 | Verleihung des Botschaftertitels |
1945 | Rückzug von allen Ämtern |
1946 | Verleihung des Sankt-Olav-Ordens |
09. März 1952 | Tod in Moskau |
Sie war Revolutionären, Frauenrechtlerin und die erste Frau in einem Ministeramt weltweit: die Russin Alexandra Kollontai. Im März jährt sich ihr Geburtstag zum 151. Mal, ihr Todestag zum 71. Mal.
Kindheit in wohlhabender Familie
Alexandra Kollontai wurde am 31. März 1872 in Sankt Petersburg geboren. Ihre Familie war wohlhabend: Ihr Vater war ein ukrainischer Großgrundbesitzer und zaristischer General, ihre Mutter stammte aus einer vermögenden finnischen Bauernfamilie. Alexandra Kollontai wuchs deshalb in gehobenen Verhältnissen auf und genoss eine gute Bildung.
Wie es in wohlhabenden Familien der damaligen Zeit üblich war, besuchte Alexandra Kollontai zunächst keine Schule, sondern erhielt Privatunterricht von einer Hauslehrerin. Die war es auch, die in der jungen Schülerin die Wurzeln für ihr späteres politisches Engagement pflanzte, weil sie sie für die Kritik der bestehenden sozialen Verhältnisse und Ungerechtigkeiten sensibilisierte. Ihr Abitur machte Alexandra Kollontai am Gymnasium in Sankt Petersburg. Zu dieser Zeit hatte sie sich bereits der sozialistischen Bewegung angeschlossen.
„Dasein als Hausfrau wurde zum Käfig“
Die junge Russin entwickelte früh ihren eigenen Kopf und ließ sich nichts vorschreiben. So wünschten ihre Eltern, dass sie eine „standesgemäße Ehe“ eingehe. Alexandra Kollontai entschied sich jedoch für eine Liebesheirat über die Standesgrenzen hinweg und heiratete 1893 ihren Cousin, den mittellosen Ingenieur Wladimir Kollontai. 1894 kam ihr Sohn Mischa zur Welt.
Doch die Liebe hielt nur ein paar Jahre, auch weil die junge Frau sich den gesellschaftlichen Gepflogenheiten nicht fügen wollte: „Das ‚glückliche Dasein‘ einer Hausfrau und Gattin wurde mir zum ‚Käfig‘“, schilderte Alexandra Kollontai rückblickend.
Studium in der Schweiz
Ihren Mann und den gemeinsamen Sohn verließ die junge Mutter 1898, um in Zürich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Denn in Russland war es Frauen noch verboten, zu studieren. Im Jahr darauf kehrte sie nach Russland zurück, holte ihren Sohn zu sich und engagierte sich in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und war später Anhängerin der Bolschewiki.
Mit der Zeit verknüpfte die engagierte Sozialdemokratin die Frage nach sozialer Gerechtigkeit immer mehr mit der Frage nach Geschlechtergerechtigkeit und wurde zur Frauenrechtlerin. Nach der gescheiterten Revolution im Jahr 1905 schrieb sie: „Zu jener Zeit fiel mir zum ersten Mal auf, wie wenig sich unsere Partei mit dem Schicksal der Frauen der Arbeitsklasse beschäftigte und wie gering ihr Interesse an der Befreiung der Frau war.“
Exil in Deutschland, Frankreich und Skandinavien
In der Folge vernetzte sich Alexandra Kollontai mit Sozialdemokratinnen aus anderen Ländern, darunter Clara Zetkin und Rosa Luxemburg. In ihrer Partei baute sie eine eigene Frauenabteilung auf.
Wegen ihres Mitwirkens in der Russischen Revolution von 1905 drohte Alexandra Kollontai alsbald die Verhaftung. 1907 emigrierte sie deshalb mit ihrem Sohn nach Deutschland, lebte auch in Frankreich und Skandinavien und war weiterhin als Frauenrechtlerin und Sozialdemokratin aktiv. Erst zehn Jahre später konnte sie in ihre Heimat zurückkehren – nach der Oktoberrevolution der Bolschewiki im Jahr 1917.
Erste Ministerin weltweit
Zurück in Russland wurde Alexandra Kollontai zur Volkskommissarin für Soziales und Volksfürsorge ernannt. Damit war sie nicht nur die einzige Frau in der ersten Regierung der Sowjetunion, sondern weltweit auch die erste Frau in einem Ministeramt.
Bereits im folgenden Jahr legte sie ihr Amt nieder – aus Protest gegen den Frieden von Brest-Litowsk, mit dem Russland zwar aus dem Ersten Weltkrieg ausgeschieden war, jedoch unter großen Gebietsverlusten und hohen Reparationszahlungen. In der Folge wurde sie zur Leiterin der Frauenabteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) ernannt.
Mutterschutz und legale Schwangerschaftsabbrüche
Als Frauenrechtlerin und Politikerin verzeichnete Alexandra Kollontai große Erfolge: Sie führte die zivile Eheschließung, das Scheidungsrecht und den staatlichen Mutterschutz ein und legalisierte Schwangerschaftsabbrüche. Sie errichtete Volkskantinen und Kinderheime und führte eine Arbeitspflicht auch für Frauen ein, weil diese aus ihrer Sicht nur durch ökonomische Unabhängigkeit eigenständig und frei sein könnten.
Ihr Frauenbild und die Geschlechtergerechtigkeit thematisierte Alexandra Kollontai auch 1920 in ihrer berühmten „Rede an die Arbeiterinnen“: „Genossen-Arbeiterinnen, lange Jahrhunderte war die Frau erniedrigt und rechtlos. Der Mann hat die Frau ernährt, dafür musste sie als seine unrechtmäßige häusliche Sklavin leben. Die Oktoberrevolution hat die Frau aus ihrer Gefangenschaft befreit. Jetzt haben Bäuerin und Bauer, Arbeiterin und Arbeiter dieselben Rechte. Aber das Leben hat die Frauen noch nicht befreit! Sie müssen noch zuhause arbeiten, die Kinder betreuen. Ohne Gleichberechtigung der Frau gibt es keinen Kommunismus.“
Russische Botschafterin in Norwegen, Mexiko und Schweden
1921 geriet Alexandra Kollontai innerhalb ihrer Partei ins Abseits. Auf dem X. Parteitag der KPdSU hatte sie den Führungsanspruch und die Bürokratisierung der Partei kritisiert und geriet in der Folge in eine Auseinandersetzung mit Lenin.
1923 emigrierte Alexandra Kollontai abermals und ging als erste russische Botschafterin nach Norwegen. 1926 wechselte Sie in dieser Funktion nach Mexiko, ab 1930 lebte und arbeitete sie in Schweden. Erst 1943 verlieh ihr Stalin den Titel einer Botschafterin; bis 1945 blieb sie als Botschafterin in Schweden.
1935 gehörte sie der sowjetischen Delegation in Genf an, als die Sowjetunion in den Völkerbund aufgenommen wurde. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs legte Alexandra Kollontai ihre Ämter nieder und ging nach Moskau. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod am 9. März 1952.
Keine Kritik an Stalin
Aus heutiger Sicht trüben einige dunkle Flecken das historische Bild von Alexandra Kollontai. So unterstützte sie ab Mitte der 1920er-Jahre Stalin ohne öffentliche Kritik und schwieg auch zu den „Stalinistischen Säuberungen“ von 1937/1938, bei denen mehr als 1,5 Millionen Menschen verhaftet wurden und knapp die Hälfte von ihnen hingerichtet wurde.
Trotz aller Freiheiten, die Alexandra Kollontai für Frauen forderte, hielt sie es dennoch für eine Pflicht der Frau, Kinder zu bekommen. Für Menschen mit Erbkrankheiten lehnte sie dies aber ab, ihnen sollte die Fortpflanzung verboten werden.
Das Scheidungsrecht, das Alexandra Kollontai eingeführt hatte, hatte nicht nur positive Folgen für Frauen. Zwar konnten sie sich selbst aus unglücklichen Ehen befreien, doch auch Männer konnten sich leicht trennen und Frau und Kinder auch mittellos zurücklassen.
Zweimalige Nominierung für den Friedensnobelpreis
Dennoch hat Alexandra Kollontai einen großen Beitrag zu mehr Frauenrechten geleistet. Sie wurde gleich zweimal für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen und erhielt 1946 den norwegischen Sankt-Olav-Orden. 1966 benannte die Astronomin Ljudmila Tschernych ihr zu Ehren einen Asteroiden nach der Sozialdemokratin Kollontai.