Die us-amerikanischen Psychologieprofessorinnen Sapna Cheryan und Hazel Rose Markus machten in einer 2020 veröffentlichten Studie darauf aufmerksam, dass nach wie vor männliche Normen der Standard im Berufsleben sind. Dabei schaden sich viele Unternehmen damit selbst. Denn Toptalente, die sich den männlichen Normen nicht anpassen können oder wollen, werden dadurch abgeschreckt. Was sich hinter männlichen Normen verbirgt, wie sie unsere Arbeitswelt bestimmen und wie wir uns von ihnen lösen können, erfahren Sie in diesem Artikel.

    Was sind männliche Normen?

    Männliche Normen sind eine Form des Gender Bias. Dieser beschreibt eine verzerrte Wahrnehmung durch sexistische Vorurteile und Stereotype. Männliche Normen sorgen dafür, dass Verhaltensweisen die typischerweise mit Männlichkeit verknüpf sind, belohnt und als gängige Praxis angesehen werden.

    Darunter fallen Verhaltensweisen wie beispielsweise Eigenständigkeit, Durchsetzungsvermögen oder die Fähigkeit zur Selbstvermarktung. Als weiblich gelten wiederum Eigenschaften wie Fürsorglichkeit, Empathie, Anpassungsfähigkeit und Geduld.

    Männliche Normen werden belohnt

    Problematisch werden diese stereotypischen Zuschreibungen dann, wenn sie von dem*der Arbeitgeber*in eingefordert werden. Als Beispiel nennen Sapna Cheryan und Hazel Rose Markus das Unternehmen Google.

    Google fordert von seinen Mitarbeiter*innen Selbstvermarktung, um befördert zu werden. Damit wird von den MItarbeiterinnen auch verlangt, sich einer männlichen Norm anzupassen. Das Resultat: Frauen werden systematisch weniger befördert.

    Die Geschichte des „Mannweibs“

    Nun könnte man natürlich argumentieren, dass unsere Berufs- welt nun mal so aufgebaut ist und es daher richtig ist, dass sich Frauen, wie beim Beispiel Google, den vorherrschenden Normen anzupassen haben. Problematisch wird dies jedoch spätestens, wenn man feststellt, dass Frauen, die die typisch männlichen Verhaltensweisen adaptieren, wiederum von Männern diskriminiert werden. Dabei müssen sich Frauen als sogenannte „Mannweiber“ bezeichnen lassen oder werden direkt von männlichen Kollegen unter Druck gesetzt, den Ton ihrer Beiträge zu dämpfen und ihre Persönlichkeit zu mäßigen.

    Männliche Normen problematisieren

    Manche Menschen sagen, dass männliche Normen, wie beispielsweise Durchsetzungsfähigkeit, objektiv betrachtet gute Eigenschaften sind. Wieso sollten wir sie im Zuge der Gleichstellungsdebatte überhaupt problematisieren? Dem lässt sich allerdings entgegnen, dass die vorherrschenden männlichen Normen nichts weiter sind als Verhaltensweisen, die in den westlichen Industrienationen als gutes oder normales Verhalten kodiert sind.

    Wir dürfen sie also nicht als etwas allgemein Gutes wahrnehmen, sondern lediglich als Ausdruck und Vorteil eines Teils der Bevölkerung.

    Wo sich männliche Normen verstecken

    Männliche Normen lassen sich gar nicht so einfach lokalisieren. Denn anders als bei der Ungleichbehandlung der Geschlechter sieht es bei männlichen Normen zunächst so aus, als bestünde Chancengleichheit. Tatsächlich werden jedoch stereotypisch männliche Verhaltensweisen begünstigt. Gerade weil sie so unscheinbar wirken, finden sie sich in Werten, Normen, Richtlinien oder Interaktionsstilen von Organisationen und Unternehmen wieder. Sapna Cherxan und Hazel Rose Markus haben eine Methode entwickelt, wie Sie männliche Normen lokalisieren und dagegen vorgehen können.

    Schritt 1: Dienststellenkultur analysieren

    Als Erstes sollten Sie sich fragen, wo es männliche Normen in Ihrer Dienststelle geben könnte. Um das herauszufinden, bitten Sie die Mitarbeiter*innen in Ihrer Dienststelle möglichst viele formelle und informelle Elemente Ihrer Dienststellenkultur aufzulisten, z. B. Mission, Werte, Richtlinien, Dynamik in Meetings, Stellenausschreibungen, Sprachgewohnheiten.

    Schritt 2: Männliche Normen lokalisieren

    Vergleichen Sie im Anschluss die Ergebnisse mit einer Liste von stereotypisch männlichen Verhaltensweisen. Eine solche Liste finden Sie z. B. hier: https://bit.ly/42kNW0H. Damit können Sie lokalisieren, wo sich männliche Normen verstecken.

    Schritt 3: Dienststellenkultur ändern

    Nachdem Sie die männlichen Normen ausgemacht haben, be- sprechen Sie mit der Dienststellenleitung, wo diese besonders problematisch wirken und wie dies geändert werden kann. Stellen Sie beispielsweise fest, dass es in Team-Meetings häufig zu Unterbrechungen kommt oder einige Mitglieder besonders viel „Sendezeit“ beanspruchen, kann ein Wechsel zurück in den Online-Modus hilfreich sein, da es dort schwerer ist, anderen ins Wort zu fallen. Oder Sie können feste Regeln aufstellen, die dafür sorgen, dass alle den gleichen Gesprächsanteil haben.

    Fazit: Am Ende profitieren alle

    Männliche Normen sorgen dafür, dass wir trotz vieler gleichstellungspolitischer Maßnahmen noch einen weiten Weg bis zu echter Gleichstellung zu gehen haben. Durch den Abbau von männlichen Normen machen Sie auch Ihre Dienststelle attraktiv für Toptalente, die sich nicht mit den männlichen Normen identifizieren können, und fördern zugleich das volle Potenzial der Mitarbeiter*innen.

    FAQ-Bereich

    Für wen ist „Gleichstellung im Blick“?

    „Gleichstellung im Blick“ richtet sich speziell an Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragte im öffentlichen Dienst und der freien Wirtschaft in ganz Deutschland.

    Kann ich „Gleichstellung im Blick“ probelesen?

    Ja. Wir bieten allen interessierten Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten die Möglichkeit eine Ausgabe 14 Tage lang kostenfrei zu lesen. Sie entscheiden erst dann, ob Sie einen kostenpflichtigen Bezug möchten oder nicht.

    Was bietet mir „Gleichstellung im Blick“?

    „Gleichstellung im Blick“ bietet allen Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten relevante, aktuelle und rechtssichere Informationen zur Herstellung von Chancengleichheit in der Arbeitswelt. Neben der gedruckten Ausgabe haben Leser*innen die Möglichkeit eine telefonische Sprechstunde für individuelle Fragen in Anspruch zu nehmen. Ebenso laden wir mindestens 1mal pro Jahr zu einem Netzwerktreffen zum Austauschen und Netzwerken ein. Ein Zugang zu einem Onlinebereich, in dem Sie Muster-Initiativanträge, Checklisten, Übersichten und Muster-Schreiben herunterladen können, rundet das Angebot ab.

    Was sind männliche Normen?

    Männliche Normen sind eine Form des Gender Bias. Dieser beschreibt eine verzerrte Wahrnehmung durch sexistische Vorurteile und Stereotype. Männliche Normen sorgen dafür, dass Verhaltensweisen die typischerweise mit Männlichkeit verknüpf sind, belohnt und als gängige Praxis angesehen werden.

    Wo verstecken sich männliche Normen?

    Gerade weil sie so unscheinbar wirken, finden sie sich in Werten, Normen, Richtlinien oder Interaktionsstilen von Organisationen und Unternehmen wieder.