Wer heutzutage auf der behördlichen Ebene alle Geschlechter im Schriftverkehr mitdenken möchte, hat es nicht leicht. Wie Sie auf Seite 9 lesen, hat nun das Bundesland Bayern restriktive Regelungen eingeführt, die das Gendern untersagen. Die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern scheinen sich damit immer weiter zu verhärten. Dieser Text möchte einen Beitrag zur Debatte leisten und noch einmal daran erinnern, warum es durchaus sinnvoll ist, das Gendersternchen oder den Doppelpunkt zu verwenden.
Gendern sei exkludierend
Wie auf Seite 9 dargestellt wurde, stört sich die Landesregierung in Bayern vor allem daran, dass die Nutzung des Gendersternchens oder Doppelpunkts exkludierend wirke. Dieses Argument soll Anlass sein, uns noch einmal zu vergegenwärtigen, was das Gendersternchen eigentlich bedeutet.
INFO: Gendersternchen
Warum nutzen wir das Gendersternchen?
In der deutschen Sprache wird traditionell oft die männliche Form von Wörtern verwendet, etwa „Bürger“, „Lehrer“ oder „Polizist“. Um jedoch auch die weibliche Form und alle weiteren Geschlechtsidentitäten einzuschließen, nutzt man das Gendersternchen. Dieses Symbol ist aus der Computersprache entlehnt und dient als Platzhalter für beliebige Buchstaben. Eine weniger störende Alternative beim Lesen bietet der Doppelpunkt, der sich zunehmend als beliebte Variante durchsetzt. Statt exkludierend zu wirken, geht es also vielmehr darum, alle Geschlechtsidentitäten sichtbar zu machen.
Sprache formt Realität
Aber warum ist es nun wichtig, zu gendern? Sprache hat die Macht, unsere Wahrnehmung der Welt zu formen. So haben bereits im Jahr 2000 Irmen und Kaczmarek in einer Studie herausgefunden, dass der Gebrauch des generischen Maskulinums, also die ausschließliche Verwendung der männlichen Form, zu einer gedanklichen Verbindung der genannten Person mit dem männlichen Geschlecht führt und deswegen nicht neutral ist, weil Frauen so gedanklich ausgeschlossen werden.
Mit einer bewussten Verwendung von Sprache, die alle Geschlechter einbezieht, können wir einen kulturellen Wandel hin zu mehr Gleichstellung und Anerkennung von Geschlechtervielfalt fördern. Es geht darum, eine Realität zu schaffen, in der sich alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gleichberechtigt und wertgeschätzt fühlen.
Bewusstsein und Sensibilisierung
Die Verwendung von genderneutraler Sprache trägt also zur Sensibilisierung für Geschlechtervielfalt und zur Reflexion über bestehende Geschlechterrollen bei. Sie fordert Individuen und Institutionen dazu auf, über den eigenen Sprachgebrauch nachzudenken und Stereotypen infrage zu stellen. Dies führt langfristig zu einem inklusiveren und gerechteren gesellschaftlichen Klima.
Hinterfragen von Machtverhältnissen
Die Auseinandersetzung mit gendersensibler Sprache zwingt uns dazu, die bestehenden Machtverhältnisse zu hinterfragen und die ungleiche Verteilung von Sichtbarkeit und Anerkennung in unserer Gesellschaft wahrzunehmen und anzusprechen. Insofern stellt gendersensible Sprache eine Herausforderung an uns alle dar. Das hat zwangsläufig gesellschaftliche Diskussionen zur Folge, die geführt werden müssen. Denn nur so besteht die Chance, dass sich etwas weiterentwickelt. Auf der gesetzlichen Ebene nun das Gendern zu verbieten, führt daher eher dazu, Diskursräume in einer liberalen Gesellschaft zu schließen.
Sprache im ständigen Wandel
Von den Kritiker*innen geschlechtersensibler Sprache wird häufig das Argument angeführt, dass diese ein Angriff unser höchstes Kulturgut sei und die deutsche Sprache zerstöre. Dabei wird allerdings gänzlich der Fakt ignoriert, dass sich Sprache immer im Wandel befunden und sich an die jeweiligen gesellschaftlichen Gegebenheiten angepasst hat.
Sprache spiegelt nicht nur unsere Geschichte, sondern auch unsere gegenwärtigen Werte und Normen wider. Die Entwicklung zu einer gendersensiblen Sprache hat daher wenig mit dem Versuch einer Zerstörung zu tun, sondern zeugt vielmehr von einem erweiterten Verständnis von Gleichheit und Inklusivität in unserer Gesellschaft. Gendern in der Sprache ist also ein Versuch, die Vielfalt menschlicher Erfahrungen anzuerkennen und sprachlich auszudrücken.
Fazit: Gendersensible Sprache: Ein Schlüssel zur Gleichstellung
Die Debatte über gendersensible Sprache ist ein Spiegelbild tiefer liegender Auseinandersetzungen über Gleichstellung, Sichtbarkeit und Anerkennung in unserer Gesellschaft. In Diskussionen ist es daher wichtig, nicht den*die Oberlehrer*in zu spielen oder Personen abzuwerten, wenn sie keine gendersensible Sprache verwenden. Es muss stattdessen darum gehen, über diskriminierungsfreie Möglichkeiten des Miteinanders nachzudenken. Dabei sollte auch betont werden, dass das Ziel nicht ist, jemanden etwas wegzunehmen, sondern gleiche Teilhabe für alle zu erreichen.
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In der deutschen Sprache wird traditionell oft die männliche Form von Wörtern verwendet, etwa „Bürger“, „Lehrer“ oder „Polizist“. Um jedoch auch die weibliche Form und alle weiteren Geschlechtsidentitäten einzuschließen, nutzt man das Gendersternchen. Dieses Symbol ist aus der Computersprache entlehnt und dient als Platzhalter für beliebige Buchstaben. Eine weniger störende Alternative beim Lesen bietet der Doppelpunkt, der sich zunehmend als beliebte Variante durchsetzt. Statt exkludierend zu wirken, geht es also vielmehr darum, alle Geschlechtsidentitäten sichtbar zu machen.
Sprache hat die Macht, unsere Wahrnehmung der Welt zu formen. So haben bereits im Jahr 2000 Irmen und Kaczmarek in einer Studie herausgefunden, dass der Gebrauch des generischen Maskulinums, also die ausschließliche Verwendung der männlichen Form, zu einer gedanklichen Verbindung der genannten Person mit dem männlichen Geschlecht führt und deswegen nicht neutral ist, weil Frauen so gedanklich ausgeschlossen werden.
Mit einer bewussten Verwendung von Sprache, die alle Geschlechter einbezieht, können wir einen kulturellen Wandel hin zu mehr Gleichstellung und Anerkennung von Geschlechtervielfalt fördern. Es geht darum, eine Realität zu schaffen, in der sich alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gleichberechtigt und wertgeschätzt fühlen.