Auch wenn Gleichstellung nie ihr primäres Ziel darstellte, lässt sich dennoch sagen, dass die EU eine wichtige Rolle in Sachen Fortentwicklung und Implementierung von Frauenrechten auf nationaler Ebene spielt. Dies haben wir in dieser Ausgabe in einem Europaüberblick darstellen wollen. Wie gebrechlich aber auch im Jahr 2022 die Wahrung der Rechte von Frauen innerhalb der EU noch immer ist, lässt sich anhand unseres Nachbarlands Polen leider sehr gut veranschaulichen.

    Traditionsfamilie versus Feminismus/ LGBTIQ

    Überall dort, wo rechtspopulistische Autokraten an die Macht kamen, ist zu beobachten, dass neben einer Aushebelung der Demokratie auch die Frauenrechte und die Rechte von LGBTIQ- Personen gefährdet sind. Am Beispiel Polens zeigt sich, dass der Angriff auf die Geschlechtergerechtigkeit eine zentrale Rolle in der politischen Strategie der PiS-Partei („Prawo i Sprawiedliwos ́c ́“, übersetzt: Recht und Gerechtigkeit) spielt.

    Im Zusammenspiel mit der Katholischen Kirche beruft sich die Regierung auf ein Weltbild traditioneller und nationalistischer Werte, welches das neue Konzept der polnischen Nation darstellen soll. Das heißt, Personen, die diese Werte nicht leben, wie beispielsweise Pol*innen, die sich als Europäer*innen bezeichnen, weil sie die Kernwerte der EU unterstützen, werden als abtrünnig bezeichnet und infolgedessen in ihren Rechten beschnitten.

    Der Terminus „Traditionsfamilie“ sollte Sie aufhorchen lassen

    Auch hierzulande ist vor allem durch die AfD, aber nicht nur, eine Zuspitzung der Diskriminierungspolitik entlang der Traditionsfamilie zu erkennen. Dieser vermeintliche Schutz der Familie wird missbraucht, um feindselige Ideologien wie Antifeminismus und Homophobie in die breite Masse zu streuen. Sollte Ihnen in dieser Richtung etwas zu Ohren kommen, machen Sie deutlich, dass es sich beim Zugestehen von gesetzlichen Rechten, beispielsweise der Anerkennung von Regenbogenfamilien, um ein Mehr für alle handelt. Familien, die aus Mutter, Vater, Kind bestehen, verlieren dadurch nichts.

    Die Gefahr für Frauen spitzt sich zu

    Im Jahr 2016 gab es in Polen einen landesweiten Frauenstreik gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts. Damals blieben rund 200.000 Frauen der Arbeit fern und es gelang der Frauenbewegung, den Gesetzesentwurf zu stoppen.

    Allerdings verhängte der Verfassungsgerichtshof am 22.10.2020 ein nahezu vollständiges Abtreibungsverbot, das die Gesundheit und das Leben von Frauen gefährdet. Folge war, dass im September 2021 eine 30-jährige schwangere Polin an einem septischen Schock starb, weil ihre Ärzte keine lebensrettende Abtreibung vorgenommen haben. Viele Abgeordnete verurteilen das zunehmend feindselige und gewaltbereite Umfeld, mit dem die Verteidiger der Menschenrechte von Frauen in Polen konfrontiert sind, und fordern die polnischen staatlichen Stellen auf, ihr Recht zu garantieren, sich öffentlich zu äußern, ohne Repressalien oder Drohungen fürchten zu müssen (Link: https://t1p.de/enxg).

    Trauriger Höhepunkt: der geplante Austritt aus der Istanbul-Konvention

    Das Verfassungsgericht Polens prüft derzeit das Frauenschutzabkommen. Bereits jetzt ruft der polnische Präsident Andrzej Duda dazu auf, die Istanbul-Konvention nicht zu beachten. Am Beispiel von Polen zeigt sich, dass eines der Hauptprobleme ein genereller gesellschaftlicher Mangel an Sensibilisierung für Frauenrechte und geschlechtsspezifische Diskriminierung ist. In einem Bericht beschreibt Adam Bodnar (ehemaliger polnischer Ombudsmanns für Bürgerrechte), die geschlechtsspezifische Diskriminierung sei dermaßen im Alltag der Frauen verankert, dass sie selbst die Diskriminierung nicht mehr wahrnehmen würden.

    Frauen bringen den Protest auf die Straße

    Wiederum sind es vor allem Frauen und ihre Unterstützer, die am stärksten gegen die autoritären Tendenzen in Polen protestieren. Insbesondere Marta Lempart ist hier zu nennen, eine der Initiatorinnen des „Czarny Protest“ (deutsch: „Schwarzer Protest“).

    Meine Empfehlung:
    Solidarität unter Frauen wichtiger denn je
    Zeigen Sie sich im Zuge des Internationalen Frauentags am 8. März doch solidarisch mit den Frauen in Polen, indem Sie in Ihrer Dienststelle auf die Situation aufmerksam machen. Denn Gleichstellung unter dem Schirm der EU betrachtet sollte vor nationalen Grenzen nicht haltmachen.

    Beispielsweise können Sie auf die Initiative „Abtreibung ohne Grenzen“ aufmerksam machen, die sich seit dem Verbot der Abtreibung in Polen für die Rechte und vor allem die Gesundheit von Polinnen einsetzt, indem sie neben Informationen auch Hilfe zu einem sicheren medizinischen Schwangerschaftsabbruch bietet. Sie finden die Initiative unter folgendem Link: https://abortion.eu/de/.

    Frühzeitige Sensibilisierung wichtig

    Die Situation in Polen sollte uns dahingehend eine Warnung sein, dass Menschenrechte bzw. Frauenrechte auch innerhalb der EU fragil und von dem Wohlwollen von (mehrheitlich) Männern abhängig sind. Als größter Schutz gilt eine frühzeitige Sensibilisierung zu den Themen Frauenrechte und geschlechtsspezifische Diskriminierung. Hierunter fallen Aufklärungsarbeit der Öffentlichkeit und Bildungsmaßnahmen für Fachkräfte sowie die Einrichtung von Frauenhäusern und Hilfsangeboten.

    FAQ-Bereich

    Für wen ist „Gleichstellung im Blick“?

    „Gleichstellung im Blick“ richtet sich speziell an Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragte im öffentlichen Dienst und der freien Wirtschaft in ganz Deutschland.

    Kann ich „Gleichstellung im Blick“ probelesen?

    Ja. Wir bieten allen interessierten Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten die Möglichkeit eine Ausgabe 14 Tage lang kostenfrei zu lesen. Sie entscheiden erst dann, ob Sie einen kostenpflichtigen Bezug möchten oder nicht.

    Was bietet mir „Gleichstellung im Blick“?

    „Gleichstellung im Blick“ bietet allen Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten relevante, aktuelle und rechtssichere Informationen zur Herstellung von Chancengleichheit in der Arbeitswelt. Neben der gedruckten Ausgabe haben Leser*innen die Möglichkeit eine telefonische Sprechstunde für individuelle Fragen in Anspruch zu nehmen. Ebenso laden wir mindestens 1mal pro Jahr zu einem Netzwerktreffen zum Austauschen und Netzwerken ein. Ein Zugang zu einem Onlinebereich, in dem Sie Muster-Initiativanträge, Checklisten, Übersichten und Muster-Schreiben herunterladen können, rundet das Angebot ab.

    Was bedeutet der Terminus „Traditionsfamilie“?

    Im Zusammenspiel mit der Katholischen Kirche beruft sich die Regierung auf ein Weltbild traditioneller und nationalistischer Werte, welches das neue Konzept der polnischen Nation darstellen soll. Das heißt, Personen, die diese Werte nicht leben, wie beispielsweise Pol*innen, die sich als Europäer*innen bezeichnen, weil sie die Kernwerte der EU unterstützen, werden als abtrünnig bezeichnet und infolgedessen in ihren Rechten beschnitten.

    Was ist ein Beispiel dafür, dass sich die Gefahr für Frauen zuspitzt?

    Im Jahr 2016 gab es in Polen einen landesweiten Frauenstreik gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts. Damals blieben rund 200.000 Frauen der Arbeit fern und es gelang der Frauen- bewegung, den Gesetzesentwurf zu stoppen.
    Allerdings verhängte der Verfassungsgerichtshof am 22.10.2020 ein nahezu vollständiges Abtreibungsverbot, das die Gesundheit und das Leben von Frauen gefährdet. Folge war, dass im September 2021 eine 30-jährige schwangere Polin an einem septischen Schock starb, weil ihre Ärzte keine lebensrettende Abtreibung vorgenommen haben.