EuGH stärkt die Rechte von Menschen mit Behinderung

EuGH stärkt die Rechte von Menschen mit Behinderung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Februar 2022 ein interessantes Urteil gefällt, das Beschäftigte mit einer Behinderung im Arbeitsalltag unterstützt (10.2.2022, Az. C-485/20). Was Sie hierzu wissen müssen, habe ich Ihnen im Folgenden zusammengestellt.

    Das ist passiert

    Der Fall spielte sich bei einem belgischen Eisenbahnunternehmen ab, nämlich der HR-Rail. Im November 2016 hatte sie einen Arbeiter für die Wartung und Instandhaltung der Züge in der Probezeit eingestellt. Dieser hat seine Probezeit bei der Gesellschaft Infrabel, die für den Betrieb der Infrastruktur der belgischen Eisenbahn zuständig ist, absolviert.

    Noch in der Probezeit im Dezember 2017 erhielt der Beschäftigte die Diagnose einer Herzproblematik, sodass er einen Herzschrittmacher bekam. Dieser reagiert sensibel auf elektromagnetische Felder, die sich unter anderem auch in Gleisanlagen finden.

    Beschäftigter war als Schwerbehinderter anerkannt

    Aufgrund der Herzproblematik wurde der Beschäftigte nach belgischem Recht als Mensch mit Schwerbehinderung anerkannt. Er konnte laut einem arbeitsmedizinischen Institut nicht mehr die Tätigkeiten ausüben, für die er eingestellt worden war. Das stellte dieses Institut im Juni 2018 fest. Deshalb wurde er im gleichen Unternehmen als Lagerist eingesetzt.

    Am 26.9.2018 wurde der Beschäftigte dann informiert, dass er zum 30.9.2018 entlassen werde. In diesem Kontext wurde gleichermaßen ein Verbot der Wiedereinstellung in der Besoldungsgruppe, in der er bisher eingruppiert war, für die Dauer von 5 Jahren ausgesprochen. Weiter wurde ihm mitgeteilt, dass bei Beschäftigten, die noch in der Probezeit seien, kein Einsatz an einem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens vorgesehen sei.

    Beschäftigte wehrte sich gegen die Kündigung

    Der Beschäftigte wollte die Kündigung nicht hinnehmen und klagte beim belgischen Gericht mit dem Ziel, seine Entlassung für nichtig erklären zu lassen. Das Gericht wiederum schaltete den EuGH ein und legte diesem das Verfahren vor. Es ging um die Auslegung der Richtlinie 2000/78 für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Das belgische Gericht bat den EuGH um Erläuterung der Formulierung „angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung zu treffen“.

    Dies entschied der EuGH

    Der EuGH sagt in seiner Entscheidung sehr klar und deutlich, dass auch jemand, der in der Probezeit für die Tätigkeit wegen einer Behinderung als ungeeignet eingestuft wird, die wesentlichen Funktionen seiner bisherigen Stelle zu erfüllen, auf einer anderen Stelle einzusetzen ist. Und zwar immer dann, wenn er die dafür notwendigen Kompetenzen, Fähigkeiten und Verfügbarkeiten habe. Allerdings dürfe diese Maßnahme den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belasten.

    Arbeitgeber*innen müssen Vorkehrungen treffen

    Gemäß der EU-Richtlinie 2000/78 hat der Arbeitgeber angemessene Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen gewährleistet ist. Arbeitgeber*innen hätten insoweit die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Menschen mit Behinderungen den Zugang zu Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen. Einzige Ausnahme sei hier eine unverhältnismäßige Belastung der Arbeitgeber*innen.

    Gemäß der Richtlinie zählen zu den wirksamen und praktikablen Maßnahmen, um den Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderungen entsprechend einzurichten, z. B.

    1. eine entsprechende Gestaltung der Räumlichkeiten,
    2. eine Anpassung des Arbeitsgeräts,
    3. eine Anpassung des Arbeitsrhythmus,
    4. eine Anpassung der Aufgabenverteilung oder
    5. das Angebot von Ausbildungs- und Einarbeitungsmaßnahmen.

    In diesem Kontext wies das Gericht allerdings – wie oben bereits ausgeführt – darauf hin, dass die zu ergreifenden Maßnahmen die Arbeitgeber*innen nicht unverhältnismäßig belasten dürften. Ob dies der Fall sei, sei daran zu messen, wie der damit verbundene finanzielle Aufwand sowie die Größe, die finanziellen Ressourcen und der Gesamtumsatz des Unternehmens bzw. der Dienststelle seien und ob öffentliche Mittel oder andere Unterstützungsmöglichkeiten verfügbar seien.

    FAQ-Bereich

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    Was war Gegenstand des Urteils?

    Ein belgisches Eisenbahnunternehmen stellte einen Arbeiter für die Wartung und Instandhaltung der Züge ein. Noch in der Probezeit im Dezember 2017 erhielt der Beschäftigte die Diagnose einer Herzproblematik, sodass er einen Herzschrittmacher bekam. Dieser reagiert sensibel auf elektromagnetische Felder, die sich unter anderem auch in Gleisanlagen finden. Aufgrund der Herzproblematik wurde der Beschäftigte nach belgischem Recht als Mensch mit Schwerbehinderung anerkannt. Er konnte laut einem arbeitsmedizinischen Institut nicht mehr die Tätigkeiten ausüben, für die er eingestellt worden war. Deshalb wurde er im gleichen Unternehmen als Lagerist eingesetzt. Am 26.9.2018 wurde der Beschäftigte dann informiert, dass er zum 30.9.2018 entlassen werde. In diesem Kontext wurde gleichermaßen ein Verbot der Wiedereinstellung in der Besoldungsgruppe, in der er bisher eingruppiert war, für die Dauer von 5 Jahren ausgesprochen. Weiter wurde ihm mitgeteilt, dass bei Beschäftigten, die noch in der Probezeit seien, kein Einsatz an einem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens vorgesehen sei.

    Wie entschied das EuGH?

    Der EuGH sagt in seiner Entscheidung sehr klar und deutlich, dass auch jemand, der in der Probezeit für die Tätigkeit wegen einer Behinderung als ungeeignet eingestuft wird, die wesentlichen Funktionen seiner bisherigen Stelle zu erfüllen, auf einer anderen Stelle einzusetzen ist. Und zwar immer dann, wenn er die dafür notwendigen Kompetenzen, Fähigkeiten und Verfügbarkeiten habe. Allerdings dürfe diese Maßnahme den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belasten.