Wie Sie sicher wissen, gibt es europaweit und auch in der Bundesrepublik die Verpflichtung, das gleiche Entgelt für gleiche Arbeit unabhängig vom Geschlecht zu zahlen. Europarechtlich ist dieser Grundsatz in Artikel 157 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) verankert. In unseren nationalen Gesetzen findet er sich wieder in § 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Um diesem Grundsatz nachzukommen, wurde vor einiger Zeit zudem das Entgeltfortzahlungsgesetz verabschiedet. Im Rahmen dieser Grundsätze hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine interessante Entscheidung gefällt (BAG, Urt. v. 16.02.2023, 8AZR450/21), die wir Ihnen im Folgenden vorstellen.
Frau erhielt für gleiche Arbeit weniger Entgelt als ihr männlicher Kollege
Eine Beschäftigte war seit dem 1. März 2017 in einem Unternehmen als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Sie erhielt für ihre Tätigkeit ein arbeitsvertraglich vereinbartes
Grundentgelt von anfangs 3.500 Euro brutto. Dies veränderte sich allerdings fast 1,5 Jahre nach der Einstellung im Unternehmen durch eine neue tarifliche Regelung zum Entgelt ab August 2018.
Tarifvertrag sah anderes Entgelt vor
Ab dem 1. August 2018 bemaß sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag, der unter anderem die Einführung eines neuen Eingruppierungssystems regelte.
Die für die Beschäftigte geltende Entgeltgruppe sah ein Grundgehalt von 4.100 Euro brutto vor. In dem einschlägigen § 8 Absatz 4 des Haustarifvertrages hieß es:
„Für den Fall, dass das neue tarifliche Grundentgelt das bisherige tarifliche Entgelt überschreitet, erfolgt die Anpassung um nicht mehr als 120 Euro brutto in den Jahren 2018 bis 2020.”
Hierbei handelte es sich um eine sogenannte Deckelungsregelung.
Die Arbeitgeberin wendete diese Bestimmung an und bezahlte der Beschäftigten ab dem 1. August 2018 ein Grundentgelt von 3.620 Brutto, das dann in jährlichen Schritten weiter angehoben werden sollte.
Männlicher Beschäftigter erhielt für gleiche Arbeit mehr Entgelt
Bei der Arbeitgeberin waren zwei weitere, männliche Vertriebsmitarbeiter beschäftigt. Einer dieser Außendienstmitarbeiter war seit dem 1. Januar 2017 dort tätig.
Ihm hatte die Arbeitgeberin tatsächlich das gleiche Grundgehalt wie der Beschäftigten angebote, nämlich 3.500 Euro. Der Beschäftigte hatte diese Summe jedoch abgelehnt und stattdessen für die Zeit bis zum 31.10.2017 ein höheres Grundentgelt von 4.500 Euro brutto verlangt, das die Arbeitgeberin ihm auch tat- sächlich zahlte.
Danach erhielt dieser Arbeitnehmer wie die Mitarbeiterin auch ein Grundentgelt in Höhe von 3.500 Euro brutto sowie eine leistungsbezogene, weitere Vergütung. Der Mitarbeiter vereinbarte mit der Arbeitgeberin aber eine Erhöhung des Grundentgeltes auf 4.000 Euro brutto ab dem 1. Juli 2018.
Arbeitgeberin bezahlte höheres Entgelt
Die Arbeitgeberin hatte dieses Entgelt bezahlt und sich darauf berufen, dass der männliche Mitarbeiter einer besser vergüteten anderen Vertriebsmitarbeiterin in der Stelle nachgefolgt sei und sie daher auch deren Nachfolger höher vergütet habe.
Die Beschäftigte wollte rückwirkend dieselbe Vergütung wie ihr männlicher Kollege haben
Die Beschäftigte verlangte gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und wollte rückwirkend dieselbe Vergütung wie ihr männlicher Kollege haben. Sie klagte diese Differenz daher vor dem Arbeitsgericht ein.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass sie einen Anspruch auf das gleiche Grundentgelt habe wie der zeitgleich eingestellte männliche Kollege. Sie begründete dies damit, dass sie schließlich die gleiche Arbeit wie der männliche Kollege verrichte. Weiter klagte die Beschäftigte eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 6.000 Euro ein. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, vor dem Bundesarbeitsgericht hatte die Frau jedoch weitestgehend Erfolg.
Beschäftigte wurde aufgrund des Geschlechts benachteiligt
Die Richter*innen führten aus, dass die Beschäftigte in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt worden war, weil der männliche Kollege, der die gleiche Arbeit verrichtet hatte, ein höheres Grundentgelt erhalten hatte.
Der Anspruch der Beschäftigten auf das gleiche Grundentgelt wie der männliche Kollege ergab sich aus Artikel 157 AEUV, § 3 Absatz 1 und § 7 Entgelttransparenzgesetz. Es sei hier die Vermutung begründet, dass die Beschäftigte aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt worden sei.
Der Arbeitgeberin sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere konnte die Arbeitgeberin, sich nicht darauf berufen, dass der männliche Kollege ein höheres Entgelt ausgehandelt habe.
Auch für den Monat Juli 2018 konnte die Arbeitgeberin die Benachteiligung nicht mit der Begründung widerlegen, dass die Kollegin einem besser bezahlten männlichen Kollegen nachgefolgt sei. Diese Begründung ließen die Richter*innen nicht gelten.
Weiter führten die Richter*innen aus, dass sich ab dem 1. August 2018 ein höherer Entgeltanspruch der Arbeitnehmerin bereits aus dem Tarifvertrag ergäbe. Die Deckelungsregelung sei hier nicht anwendbar, da die Beschäftigte ihr Entgelt aufgrund ihrer einzelvertraglichen Regelung erhalten habe.
Den Antrag auf Entschädigung hielten die Richter*innen für zu hoch bemessen. Sie entsprachen diesem Antrag auf Entschädigung nur in Höhe von 2.000 Euro Brutto.
Das bedeutet diese Entscheidung in der Praxis für Sie
Deutlich geworden ist – und das ist das Spektakuläre an dieser Entscheidung –, dass die Richter*innen des Bundesarbeitsgerichts es nicht zuließen, dass ein ungleiches Entgelt damit gerechtfertigt werden konnte, dass der Kollege besser verhandelt hatte. Selbst wenn männliche Kollegen besser verhandeln als Frauen darf dies nicht zu einer Bezahlung bei gleicher Verrichtung gleichwertiger Arbeit führen (hierzu auch Seite 8).
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Die Beschäftigte verlangte gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und wollte rückwirkend dieselbe Vergütung wie ihr männlicher Kollege haben. Sie klagte diese Differenz daher vor dem Arbeits- gericht ein. Weiter klagte die Beschäftigte eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 6.000 Euro ein. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, vor dem Bundesarbeitsgericht hatte die Frau jedoch weitestgehend Erfolg.
Die Richter*innen des Bundesarbeitsgerichts ließen es nicht zu, dass ein ungleiches Entgelt damit gerechtfertigt werden konnte, dass der Kollege besser verhandelt hatte. Selbst wenn männliche Kollegen besser verhandeln als Frauen darf dies nicht zu einer Bezahlung bei gleicher Verrichtung gleichwertiger Arbeit führen.