Schutz vor sexualisierten Übergriffen in Sportvereinen

Schutz vor sexualisierten Übergriffen in Sportvereinen

Bereits vor einigen Jahren untersuchte die Diversitätsforscherin Dr. Bettina Rulofs sexualisierte Gewalt im Leistungssportbereich und konnte so die Abhängigkeits- und Machtstrukturen, die einen Missbrauch begünstigen, darlegen. Im September 2022 veröffentlichte die Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs die Studie „Sexualisierte Gewalt und sexueller Kindesmissbrauch im Kontext des Sports“, die ebenfalls unter der Federführung von Dr. Bettina Rulofs entstand. Wie Sie als Gleichstellungsbeauftragte hier tätig werden können und welche Mechanismen Sie für Ihre Arbeit unabhängig vom Kontext Sport für sich ableiten können, lesen Sie hier.

    Vereinssport steht für viele positive Eigenschaften

    Rund die Hälfte der Mädchen und 60 % der Jungen hierzulande sind in einem Sportverein aktiv. Sport im Allgemeinen und insbesondere der organisierte Sport wird durchweg mit positiven Eigenschaften in Verbindung gebracht, wie beispielsweise Gemeinschaft, Gesundheit und Erfolg. Nicht selten entsteht eine persönliche und emotionale Bindung zum Verein mit einem starken Zugehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühl. Als größter Träger im Bereich Kinder- und Jungendarbeit ist aber auch der organisierte Sport ein Abbild der Gesamtgesellschaft und sexualisierte Gewalt macht auch vor dem Sport keinen Halt.

    Erste Schlussfolgerung: Idealisierung verhindert Objektivität

    Die Idealisierung einer Person, eines Bereichs oder wie in diesem Fall eines Systems macht es Betroffenen noch schwerer, sich Gehör zu verschaffen. Hier zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es ist, eine Ansprechperson zu haben, die Anschuldigungen möglichst objektiv nachgehen kann, unabhängig davon, gegen wen sie sich richten. So berichten Betroffene, dass sie gar nicht wussten, an wen sie sich hätten wenden sollten.

    Meine Empfehlung:
    Gleichstellungsbeauftragte für Sportvereine?!

    Größere Sportverbände haben bereits eigene Frauenbeiräte, die Gleichstellungsthemen in Sportvereine transportieren. Im Landkreis Gifhorn beispielsweise ist die Gleichstellungsbeauftragte in Kooperation mit dem Netzwerk gegen häusliche und sexualisierte Gewalt an die Sportvereine herangetreten, um diese dahin gehend zu sensibilisieren. Sie können aber auch Sportvereine auffordern, eigene Gleichstellungsbeauftragte in den erweiterten Vorstand zu berufen. Diese Person wäre unabhängig, bei sexuellen Übergriffen als erkennbare Ansprechperson präsent und hätte in ihrer Position die nötige Durchsetzungskraft, auch etwas zu bewirken.

    Leistungsfähigkeit und weibliche Körper

    Immer noch ist der Vereinssport deutlich patriarchal strukturiert. Die fast überall klare binäre Einteilung insbesondere in Bezug auf die Leistung(-sfähigkeit) manifestiert sich in einer hierarchischen Geschlechterordnung. Dies begünstigt zum einen die Abwertung von weiblicher Leistungsfähigkeit, aber auch die von nicht geschlechterstereotypen Jungen. Wie in keinem anderen Bereich liegt im Sport der Fokus auf dem Körper. Es zeigt sich, dass sexistische Sprache, sexistische Witze oder Bemerkungen über den Körper sowie Berührungen wie ein Klaps auf den Hintern die ersten Überschreitungen sein können, die weiteres grenzüberschreitendes Verhalten nach sich ziehen können.

    Zweite Schlussfolgerung: Anwesende trifft Mitschuld

    Viele der Betroffenen hatten bei den Aussagen ein ungutes Gefühl, kannten aber den Begriff und die Dimension „Sexismus“ nicht. Da sexistische Aussagen auch im Beisein von anderen Erwachsenen fallen, die nicht einschreiten, erkennen die Opfer diese Grenzüberschreitung nicht. Auf Täterseite entwickelt sich dadurch ein Gefühl der Sicherheit, das den Betreffenden möglicherweise erlaubt, noch weiterzugehen. Ein frühzeitiges Einschreiten von anderen Anwesenden, sogenannten Bystandern, könnte Schlimmeres verhindern. Mehr Details und die komplette Studie finden Sie unter: https://t1p.de/f7okv

    Aus Positivbeispielen lernen

    Ein Fall aus Köln: Auf einer Ferienfreizeit der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft mit Kindern und Jugendlichen, kam es seitens des mitgereisten Betreuers immer wieder zu sexuellen Bemerkungen und Übergriffen. Als dieser Betreuer einen Moment abwesend war, tauschten sich die beiden jüngeren Betreuerinnen mit der gesamten Gruppe über die sexuellen Übergriffe des Täters aus, stellten ihn später zur Rede und kontaktierten die Eltern, die im Weiteren die vorzeitige Abreise forcierten. Ungewöhnlich und daher besonders positiv hervorzuheben ist der Umstand, dass die Betroffenen miteinander darüber sprachen. Normalerweise verhindert die Scham einen Austausch, die den Täter schützt. Die Kinder und Eltern wollen mit der Veröffentlichung dieser Vorkommnisse bezwecken, dass auch andere genauer hinschauen und sich frühzeitig wehren, um mitunter Schlimmeres zu verhindern.

    Einen Bericht dazu finden Sie hier: https://t1p.de/5nmzu

    FAQ-Bereich

    Für wen ist „Gleichstellung im Blick“?

    „Gleichstellung im Blick“ richtet sich speziell an Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragte im öffentlichen Dienst und der freien Wirtschaft in ganz Deutschland.

    Kann ich „Gleichstellung im Blick“ probelesen?

    Ja. Wir bieten allen interessierten Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten die Möglichkeit eine Ausgabe 14 Tage lang kostenfrei zu lesen. Sie entscheiden erst dann, ob Sie einen kostenpflichtigen Bezug möchten oder nicht.

    Was bietet mir „Gleichstellung im Blick“?

    „Gleichstellung im Blick“ bietet allen Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten relevante, aktuelle und rechtssichere Informationen zur Herstellung von Chancengleichheit in der Arbeitswelt. Neben der gedruckten Ausgabe haben Leser*innen die Möglichkeit eine telefonische Sprechstunde für individuelle Fragen in Anspruch zu nehmen. Ebenso laden wir mindestens 1mal pro Jahr zu einem Netzwerktreffen zum Austauschen und Netzwerken ein. Ein Zugang zu einem Onlinebereich, in dem Sie Muster-Initiativanträge, Checklisten, Übersichten und Muster-Schreiben herunterladen können, rundet das Angebot ab.

    Bietet Vereinssport ausschließlich Vorteile?

    Rund die Hälfte der Mädchen und 60 % der Jungen hierzulande sind in einem Sportverein aktiv. Sport im Allgemeinen und insbesondere der organisierte Sport wird durchweg mit positiven Eigenschaften in Verbindung gebracht, wie beispielsweise Gemeinschaft, Gesundheit und Erfolg. Als größter Träger im Bereich Kinder- und Jungendarbeit ist aber auch der organisierte Sport ein Abbild der Gesamtgesellschaft und sexualisierte Gewalt macht auch vor dem Sport keinen Halt.

    Was ist ein Positivbeispiel zum Umgang mit sexueller Belästigung?

    Auf einer Ferienfreizeit der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft mit Kindern und Jugendlichen, kam es seitens des mitgereisten Betreuers immer wieder zu sexuellen Bemerkungen und Übergriffen. Als dieser Betreuer einen Moment abwesend war, tauschten sich die beiden jüngeren Betreuerinnen mit der gesamten Gruppe über die sexuellen Übergriffe des Täters aus, stellten ihn später zur Rede und kontaktierten die Eltern, die im Weiteren die vorzeitige Abreise forcierten.